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Sofia steht vor einem Dilemma: Grenzzaun zu Griechenland bauen oder nicht?

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Foto: BGNES

Bereits vor zwei Jahren hat Bulgarien einen Grenzzaun an der Grenze zur Türkei gebaut, als der Flüchtlingsstrom im Süden des Landes drohte, außer Kontrolle zu geraten. Nach der Schließung der sog. Balkanroute durch Bulgariens Nachbarländer Griechenland, Mazedonien und Serbien werden nun hierzulande Stimmen laut, dass die Migranten auf Bulgarien ausweichen werden. Und prompt ist die Rede von einem neuen Grenzzaun, diesmal an der Grenze zwischen zwei EU-Ländern – Bulgarien und Griechenland.

Ministerpräsident Borissow schließt die Möglichkeit nicht aus, einen Zaun zu bauen. Und auch Verteidigungsminister Nentschew erwähnte es während der aktuellen Fragestunde im Parlament, ohne jedoch weitere Einzelheiten zu nennen. Zugleich meldet das bulgarische Innenministerium sinkende Zahlen der Migranten, die über Bulgarien versuchen, Westeuropa zu erreichen. Letzte Woche seien lediglich 68 Personen über die Grenze nach Bulgarien eingereist, nachdem ihre Zahl nur eine Woche davor 144 war. Die Flüchtlingsagentur meldet ihrerseits, dass in nur einer Woche mehr als 300 Asylanten die Flüchtlingsheime auf eigenen Wunsch verlassen haben. Seit Jahresanfang konnten an der bulgarisch-griechischen Grenze 134 illegale Immigranten festgenommen werden, während sie Ende 2015 knapp 500 an der Zahl waren.

Ein Grenzzaun zu Griechenland würde bedeuten, dass die Regierung in Sofia von ihrer bisherigen Politik gegen die Abschottung innerhalb der Europäischen Union abkehrt. Bulgarien hat es bereits in der EU kritisiert und distanzierte sich Anfang des Jahres von der Erklärung der Visegrád-Gruppe Ungarn, Tschechien, Polen und der Slowakei gegen die Aufnahme von neuen Flüchtlingen. Darüber hinaus würde Bulgarien mit dem eventuellen Errichten eines Grenzzauns zu Griechenland zeigen, dass es an Athens Fähigkeiten zweifelt, mit dem Flüchtlingsandrang fertig zu werden und die Grenze zu Bulgarien zu schützen.

Der Grenzzaun ist in der Regierung allerdings umstritten, wie Äußerungen der Minister verraten. Innenministerin Batschwarowa erklärte gestern, es liege kein Grund für einen Zaunbau vor, denn an der für die EU inneren Grenze zu Griechenland bestehe derzeit kein Risiko, dass der Flüchtlingsstrom zunimmt. Darüber hinaus zweifle sich nicht an der Fähigkeit Griechenlands, für die Grenzsicherung zu sorgen.

Dennoch sind die Befürchtungen, dass der Migrationsweg über Bulgarien umgeleitet wird, nicht grundlos. Fairerweise muss man auch sagen, dass Ministerpräsident Borissow einen Grenzzaun zu Griechenland „nur ungern“ errichten lassen würde, begründete aber seinen Vorstoß mit den „Erwartungen in der Öffentlichkeit“. Ein erster Ausdruck dieser Befürchtungen war übrigens der Protest der kleinen Grenzstadt Kressna. Die Einwohner erklärten sich gegen die Einrichtung einer Erstaufnahmestelle in ihrer Stadt. Die Regierung musste zugeben, dass sie einen entsprechenden Beschluss bereits gefasst hat. Dafür sollen leerstehende Kasernen umgebaut werden. Es liegt etwas in der Luft: Bulgarien führte gemeinsame Übungen der Armee und der Grenzpolizei am Länderdreieck Bulgarien, Griechenland und Mazedonien durch und ließ den Militärflugplatz Bezmer im Südosten modernisieren. Ob ein Zusammenhang besteht? Die Antwort darauf müssen wir abwarten.

Deutsche Fassung: Vessela Vladkova



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