Im bulgarischen Ministerium für Bildung und Wissenschaft wurde ein nationaler Bericht vorgestellt, in dem es um die Naturwissenschaften und die Technologien des 21. Jahrhunderts geht. Darin wird ferner die bulgarische Teilnahme am Programm zur internationalen Schülerbewertung (PISA) für das vergangene Jahr ausgewertet. PISA gehört seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu den Projekten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Bereich des Bildungsmonitorings. Es geht darum, alltags- und berufsrelevante Kenntnisse und Fähigkeiten Fünfzehnjähriger zu messen. PISA konzentriert sich nicht auf ein einzelnes Schulfach, sondern untersucht die drei Bereiche Lesekompetenz, mathematische Kompetenz und naturwissenschaftliche Grundbildung. Auf dieser Grundlage ist ein Qualitätsvergleich in der Ausbildung der einzelnen Teilnehmerländer möglich.
Bulgarien führt seit dem Jahr 2000 die PISA-Studien durch, wobei man sich bisher an allen Durchgängen, mit Ausnahme des Jahres 2003, beteiligt hat. Die Einbeziehung in das Programm zur internationalen Schülerbewertung gestattet einen leichten Vergleich mit anderen Ländern. Auf diese Weise können auch Rückschlüsse auf die Bildungspolitik und ihre weiteren Ausrichtungen gezogen werden.
Um die zahlenmäßigen Ergebnisse zu veranschaulichen, wurde die Punkteskala in sechs Kompetenzstufen und eine darunter liegenden Stufe absoluter Inkompetenz eingeteilt. Wo liegt nun Bulgarien? In allen drei Bereichen - Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften, fallen die bulgarischen Schüler in die zweite Kompetenzstufe. Dieses Niveau gilt als die kritische Grenze des Wissens und der Fähigkeiten der Schüler. In allen darunterliegenden Stufen weisen die Teilnehmer wesentliche Lücken in ihrer Ausbildung auf und besitzen nicht das nötige Wissen und die Fähigkeiten, um sich erfolgreich zu realisieren. An der im Frühling vergangenen Jahres durchgeführten PISA-Studie nahmen in Bulgarien insgesamt 6.363 Schüler teil. Ognjan Stamatow, stellvertretender Minister für Bildung und Wissenschaft analysierte das Ergebnis und fasste zusammen: „Die bulgarischen Schüler sozialschwacher Familien sowie aus einem Familienumfeld, in dem kein sonderlicher Hang zur Bildung besteht, zeigen ausgesprochen schlechte Ergebnisse. Erfreulich ist, dass das Gros der Schüler gebildete Eltern mit einem gehobeneren sozialen Status besitzt, doch auch sie zeigen nicht so gute Ergebnisse.“
Die Bildungsministerin Meglena Kunewa kommentierte ihrerseits:
„Die Ergebnisse von 2015 sind besser ausgefallen als die von 2006“, vergleicht Kunewa, muss aber dennoch zugeben: „Trotzdem veranlassen die Ergebnisse zu beängstigenden Schlussfolgerungen. Es ist keine Entschuldigung, wenn wir darauf hinweisen, dass Herr Stamatow und ich erst nach der Vorjahresstudie das Bildungsministerium übernommen haben, denn in meinen Augen sind alle Kinder, unabhängig davon wann sie gelernt haben und wer zu jener Zeit Bildungsminister war, eine Verantwortung unseres Staates. Ich möchte auf zwei Ding verweisen: Erstens - Das Ministerium für Bildung und Wissenschaft kann nicht das familiäre Umfeld ändern. Bereits in der Studie vor einem Jahr wurde deutlich, dass die besten Ergebnisse in jenen Familien zu finden sind, die den Kindern größere Möglichkeiten bieten. Das Bildungsministerium will dafür sorgen, dass nicht einzig die Familie der bestimmende Faktor für die Ergebnisse der Schüler ist. Zweitens – Die Schule muss Interesse wecken und die Schüler zum kritischen Denken erziehen. Das bedingt die Einführung neuer Lehrprogramme. Sie werden praxisbezogener sein, ein Schwergewicht auf die Übungen setzen und außerschulische Betätigungen fördern.“
Ministerin Kunewa erwähnte ferner, dass die Lehrer nicht Herren des Wissens seien. Sie hätten in anderen Zeiten mit ihrer Karriere angefangen und entsprechend würden sie auch veraltete Lehrmethoden anwenden. Die Aufgabe der Lehrer sei nunmehr, den Schülern beizubringen, wie sie Lösungen finden können. Zu diesem Zweck sei eine ganz neue Herangehensweise gefragt. Meglena Kunewa setzte fort:
„Jede Schadenfreude hinter dem Rücken des bulgarischen Bildungswesens ist unangebracht“, meint die Bildungsministerin. „PISA ist ein System, das die Probleme im Detail diagnostiziert und Problemlösungen anbietet. Bulgarien besitzt heutzutage bei weitem mehr Möglichkeiten, künftigen Generationen eine feste Grundlage zu bieten. Wenn das passiert, werden die Ergebnisse der kommenden PISA-Studien auch besser ausfallen.“
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
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