Sollten Sie ein Student sein, Konsekutivdolmetschen oder aus einem anderen Grund schnell Notizen machen müssen, ist Stenographie eine unersetzliche Hilfe.
Mehr über den Zauber der Stenographie erfahren wir vom Vorsitzenden der Nationalen Vereinigung der Stenographen, Maschinenschreiber und PC-Administratoren Karamfil Matew. Er ist Ingenieur von Beruf, hat aber sein Hobby, die Schnellschrift, zum Beruf gemacht. Bereits als Schüler wurde er Stenographie-Landesmeister und hat als Parlamentsstenograph etwas dazuverdient.Später wurde Karamfil Matew Leiter der Stenographie-Abteilung im Ministerrat und heute ist er Parlamentsstenograph. Sein Rekord – 180 Worte pro Minute, wurde bei einer Stenographie-Weltmeisterschaft mit einer Medaille ausgezeichnet.
Stenographie kam 1878,nach der Befreiung Bulgariens von der türkischen Fremdherrschaft, auf die Tagesordnung. Damals wurde die erste Große Nationalversammlung einberufen, die in Weliko Tarnowo eine der modernsten Verfassungen in Europa verabschiedet hat – die Tarnowo-Verfassung. Die Debatten der Volksvertreter wurden in Normalschrift aufgeschrieben. Diese Niederschriften sorgten aber für Streitigkeiten und so wurde beschlossen, nach westlichem Vorbild Stenographen im Parlament anzustellen. Da es in Bulgarien aber keine Stenographen gab, wurde ein Slowene eingeladen, dieses Amt zu bekleiden.
Er hieß Anton Bezenšek und hatte auf der Grundlage der deutschen Stenographie von Franz Gabelsberger bereits die slowenische und serbokroatische Stenographie entwickelt, erläutert Karamfil Matew.
Im Herbst 1879, nachdem Anton Bezenšek die bulgarische Stenographie ausgearbeitet hat, wurden er und sein Freund Jiří Prošek die ersten Stenographen in Bulgarien. Und sie brachten den ersten Bulgaren die Schnellschrift bei. Vor geraumer Zeit hat die Vereinigung der Stenographen die Initiative gestartet, in Slowenien ein Denkmal von Anton Bezenšek und Jiří Prošek zu errichten, erzählt Karamfil Matew und weiter:
Es hat sich herausgestellt, dass man Bezenšek und sein großes Werk in Slowenien kaum kennt, weil er den Großteil seines Lebens in Sofia und Plowdiw verbracht hat. In Bulgarien gibt es ein Denkmal von Anton Bezenšek – es befindet sich im Zentrum von Plowdiw. Wir haben die Bildungs- und Kulturgesellschaft „Bezenšek“ in seinem Geburtsort des Slowenen kontaktiert. Und nun gibt es auch in Slowenien eine Kopie des bulgarischen Denkmals und Barreliefs, die von einem bulgarischen Bildhauer gefertigt wurden, sagt Karamfil Matew.
Zu den emblematischen Persönlichkeiten, die die Kurzschrift beherrschten, zählen die Dichter Pejo Jaworow und Dimtscho Debeljanow, der auch Parlamentsstenograph gewesen ist. Karamfil Matew hat zusammen mit seiner Kollegin Violetta Boschkowa die stenographischen Notizbücher von Jaworow vollkommen dechiffriert. Was ist aber das Besondere an der Stenographie?
Die Stenographie stellt ein neues Alphabet mit einer viel kürzeren Schreiblinie dar. Sie verwendet auch Symbole und Abkürzungen, die es ermöglichen, eine Rede im normalen Sprechtempo oder ca. 120 Wörter pro Minute aufzuzeichnen, erklärt Matew.
Der Beruf des Parlamentsstenographen ist sehr verantwortungsvoller Beruf, da im Parlament die Gesetze geschmiedet werden. Er verlangt maximale Konzentration, damit die Äußerungen der Abgeordneten exakt wiedergegeben werden. Die Stenographen halten auch die Stimmung im Plenarsaal fest, mit kurzen Repliken, die nicht in die Fonogramme kommen. Über seine tägliche Arbeit im Palament sagt Karamfil Matew:
Wir wechseln uns im Parlament jede Vierteilstunde ab. Jeder von uns beginnt danach, das Aufgeschriebene zu dechiffrieren. Bis alle Kollegen an der Reihe waren, muss man alles dechiffriert, aufgeschrieben und überprüft haben.
Den bulgarischen Stenographen haben wir übrigens auch die standardisierte Buchstabenordnung auf der bulgarischen Tastatur zu verdanken.
Anfangs wurden die Stenogramme von Hand dechiffriert. Die ersten Schreibmaschinen, die importiert wurden, waren von unterschiedlichen Firmen und hatten unterschiedliche Tastaturen. Damals haben sich die Stenographen versammelt und eine einheitliche Tastatur gemäß dem bulgarischen Staatsstandard ausgeklügelt, welcher im Dezember 1907 eingeführt wurde, sagte abschließend Karamfil Matew.
Früher waren die Bulgaren Weltmeister in Maschinenschreiben und Stenographie. Heutzutage wird Stenographie aber nur noch an wenigen Orten gelehrt. Die Vereinigung der Stenographen beispielsweise organisiert kostenlose Stenographie-Kurse, weil ihre Mitglieder überzeugt sind, dass die Stenographie kein Boutique-Beruf ist, sondern eine Zukunft hat.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: Privatarchiv
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