Vor einigen Monaten erschien „Bulgarstitzi“ – eine Sammlung mit 672 bis dahin unveröffentlichten Volkslidern aus dem Archiv von Kosta Kolew. Der populäre Akkordeonist, Komponist und Dirigent verstarb im Jahre 2010 im Alter von 89 Jahren. Der Nachwelt hinterließ er Hunderte Volkslidbearbeitungen, eigene Lieder im Folklorestil und Choreographien. Kolew widmete eine lange Periode seines Lebens dem Nationalen Rundfunk, in den er 1949 als Leiter eines kleinen Orchesters aufgenommen wurde, später die Leitung des damaligen Volksliedensembles übernahm. Nach seinem Tod entschloss sich seine Gattin, Maria Leschkowa, sein Archiv zu ordnen.
„Ich stieß auf eine Unzahl an Material, dass er in seinem ganzen Leben zusammengetragen hat, angefangen im Jahre 1948“, erzählte sie uns. „Für mich war die Sammlerleidenschaft meines Mannes kein Geheimnis. Jeder in seine Arbeit vertieft, waren wir uns aber nicht bewusst geworden, was für ein Reichtum sich angehäuft hatte. Mein Mann sammelte Lieder aus ganz praktischen Gründen heraus – sie sollten ihm und der Unzahl an Sängern und Instrumentalisten dienen, die zu jener Zeit im Ensemble des Bulgarischen Nationalen Rundfunks wirkten. Mir fiel auf, dass er bereits bei der Niederschrift der Lieder einen konkreten Interpreten vor Augen gehabt hat, zumal er die Gesangs- und Spielweise der Künstler genau kannte. Ein Teil der Lieder stammt aus den Live-Sendungen des Rundfunks. Sie erklangen einzig im Äther und wurden nicht aufgenommen. Die Interpreten waren alle damals hochangesehene Folklorekünstler.“
Neben seiner Tätigkeit als Dirigent, beteiligte sich Kosta Kolew an den unterschiedlichsten Kommissionen sowie Jurys und half methodologisch den Folkloregruppen des Landes. Er war auf allen Folklore-Foren zugegen; Kolew gehörte zu den Ideenvätern des ersten Folkloregesangswettbewerbs, der 1960 im Dorf Gramatikowo ausgetragen wurde. Ein Teil der Lieder, die er dort notierte, haben Aufnahme in das Sammelwerk „Bulgarstitzi“ gefunden. Kolew war auch seit Anfang an auf den großen Volksfesten in „Kopriwschtitza“ und „Pirin singt“ mit dabei. Ferner organisierte er Feldforschungen in verschiedenen Regionen, um unbekannte Volkslieder zu erfassen.
„Es gibt einfach keinen Ort, an dem er nicht gewesen ist“, versichert Maria Leschkowa. „Er unternahm auf Hinweise von Folklorefreunden viele Dienstreisen und nahm Lieder auf. Alles geschah eher zufällig. Gleichzeitig damit hatte er die unterschiedlichsten Interessen. Er interessierte sich nicht nur für Folklore, sondern für die Musik in all ihren Ausdrucksformen, wie auch für bildende Kunst, Literatur und verschiedene Wissenschaftsgebiete. Er war ein Mensch mit den vielseitigsten Interessen. Im Zentrum stand jedoch die Volksmusik. Ständig bewunderte er das Folkloreerbe Bulgariens und meinte sogar, dass sich die anderen Völker in dieser Hinsicht beraubt fühlen müssen.“
Maria Leschkowa brauchte mehrere Jahre, um den Nachlass an Liedern zu ordnen. Die Digitalisierung der Notentexte und das Verfassen des Buches nahm etwas mehr als ein Jahr in Anspruch. Zu jedem Lied werden entsprechende Begleitinformationen gegeben, wie z.B. wann und wo es Kosta Kolew aufgeschrieben hat und wer es ihm mitgeteilt oder vorgesungen hat. Auch werden altertümliche Ausdrücke und Mundarten erklärt. Das Sammelwerk selbst ist in insgesamt 11 Abschnitte unterteilt, darunter „Heldengesänge“, „Lieder aus Expeditionen und Volksfesten“ und den einzelnen Folkloregebieten. Die Lieder aus Kotel, das in den Augen von Kosta Kolew das Herz thrakischer Musikfolklore bildet, werden getrennt behandelt. Es hat viel Arbeit gekostet, das insgesamt 700 Seiten starke Sammelwerk zusammenzustellen. Für wen ist es eigentlich gedacht, fragten wir weiter Maria Leschkowa. Wird man es zu schätzen wissen in unserer heutigen, computerisierten Welt?
„Das ist eine schwierige Frage. Als ich an dem Sammelwerk arbeitete, habe ich mir keine solchen Fragen gestellt. Ich war einfach überwältigt von der Arbeit von Kosta Kolew und wollte, dass sein Nachlass das Licht der Welt erblickt. Die Lieder haben tatsächlich einen hohen Wert – sowohl hinsichtlich des altertümlichen Gesangsstils, als auch rein poetisch gesehen. Ich denke doch, dass es in Bulgarien intelligente Menschen verschiedenster Berufe gibt, wie auch Nachwuchsinterpreten, für die das Sammelwerk hilfreich sein wird. Interesse haben bereits auch Auslandsbulgaren bekundet, die Laienfolkloregruppen leiten. Ich würde mich freuen, wenn diese Lieder wieder zum Leben erweckt werden.“
Wir konnten es uns nicht verkneifen, Maria Leschkowa nach dem eigenwilligen Titel der Sammlung zu fragen, denn das Wort „Bulgarstitzi“ hört sich für die Bulgaren von heute äußerst merkwürdig an. Maria Leschkowa erinnerte daran, dass dieses Wort von Prof. Iwan Schischmanow geprägt worden sei, der als ein geistreicher Philologe, Schriftsteller und Politiker vom Anfang des 20. Jahrhunderts in die Kulturgeschichte Bulgariens eingegangen ist. Mit „Bulgarstitzi“ bezeichnete er eine Sache, die auf den ersten Blick betrachtet winzig und unbedeutend erscheint, im Grunde genommen jedoch das zum Ausdruck bringt, was die Bulgaren auszeichnet und sie so charakterisiert, wie sie eben sind. „Ich denke, dass das die beste Überschrift für diese Sammlung ist, in der so viele altertümliche Gesänge zu finden sind“, sagte abschließend Maria Leschkowa.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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