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Nur 3 % der Bulgaren sind bereit, ein Korruptionsverbrechen zu melden

Das Gerichtssystem, die politischen Parteien, die Volksversammlung und die öffentliche Verwaltung sind laut den bulgarischen Bürgern die meist korrupten Institutionen in unserem Land. Das geht aus dem "Weltkorruptionsbarometer" hervor, einer internationalen Studie, die im fünften Jahr in Folge von "Transparency International" durchgeführt wird.

Nur etwa 3 % der Bulgaren sind bereit, ein Korruptionsverbrechen zu melden. Das ist eine besorgniserregende Tendenz, weil sie von der Angst der Menschen vor negativen Folgen und Verfolgung, aber auch von der Überzeugung zeugt, dass die Meldung zu keinerlei Ergebnissen führen wird. Das sagte Diana Kowatschewa, Exekutivdirektorin der Vereinigung "Transparenz ohne Grenzen" bei einer Diskussion zum Thema "Korruptionsnetze – Gefahr für die Demokratie", die von der Friedrich-Ebert-Stiftung veranstaltet wurde. Die politische Korruption ist ein Problem für alle Staaten, aber ein Teil von ihnen schafft es sie zu kontrollieren, meinen die Fachleute. In unserem Land sei es laut Diana Kowatschewa schwer mit der Korruption fertig zu werden, weil sie nicht nur ein nationales Verbrechen darstellt, sondern auch mit den viel größeren grenzüberschreitenden kriminellen Netzen für Geldwäsche, Menschen- und Waffenschmuggel verbunden sei.

"Die fehlende Anständigkeit in der Regierungspolitik macht sich sowohl bei Entscheidungen zugunsten bestimmter Personen und Gruppen bemerkbar, als auch bei der undurchsichtigen Finanzierung der politischen Parteien, denn das ist eine der Formen der schweren politischen Korruption", sagt Diana Kowatschewa weiter. "Und nicht zuletzt kommt sie beim Stimmenkauf zum Ausdruck, einer ernsten Form der Wahlmanipulation. Erst kürzlich hatten wir die Möglichkeit in Bulgarien, die Wahlen zum Europäischen und zum nationalen Parlament zu beobachten. Wir haben sehr besorgniserregende Fälle des Stimmenkaufs festgestellt. Wir machten eine Typologie der am meisten verbreiteten Verstöße. Uns hat nicht so sehr der Umstand verwundert, dass rund 6 % der bulgarischen Bürger bereit sind ihre Stimme zu verkaufen, sondern die Tatsache, dass die Wähler in Bulgarien Opfer eines korporativen Druckes sind. D.h. ihnen wird nicht einmal dafür bezahlt, dass sie auf eine bestimmte Weise abstimmen, sondern ihnen wird von ihren Arbeitgebern gedroht."

Die Analytiker sind davon überzeugt, dass die Korruption in Bulgarien und in Südosteuropa sich von der in den sog. älteren Demokratien unterscheidet. Das sei weitgehend auf kulturelle Besonderheiten zurückzuführen. Z.B. würden Korruptionspraktiken manchmal nicht als Korruption empfunden, sondern eher als eine Frage des Überlebens, des Gnädigstimmens dessen, von dem man in einer bestimmten Situation abhängt, meint Prof. Plamen Georgiew, der an der Neuen bulgarischen Universität in Sofia unterrichtet. Besonders typisch für den Balkan seien Interessenskonflikte. Wenn man einen Nahestehenden oder Verwandten nicht eine Stelle in einer Behörde verschafft, dann gilt man als jemand, der Sippe und Heimat verleugnet, sagt weiter Prof. Plamen Georgiew. Bei dieser regionalen Kulturbesonderheit ist es noch schwieriger mit dem Problem fertig zu werden. Es gibt laut Diana Kowatschewa kein Rezept für seine Überwindung, aber dafür sei politischer Wille erforderlich.

„"Transparenz ohne Grenzen" empfiehlt den Staaten mit stark verbreiteter politischer Korruption sich zu bemühen, ihr Gerichtssystem unabhängig und effektiv zu machen“, sagt sie. „Um mit der politischen Korruption fertig zu werden, sind zwei Elemente wichtig – einerseits die Abschaffung des politischen Schutzes und damit zusammenhängender Unantastbarkeit, und andererseits Urteile und Bestraffung der Korruptionstäter. In diesem Sinne ist die Abschaffung der Korruption im Gerichtssystem selbst auch ein Weg, um mit der politischen Korruption fertig zu werden. Eine der Empfehlungen für die Bekämpfung der politischen Korruption ist die Schaffung eines institutionellen Systems, in dem nicht allein die Regierung, sondern auch alle anderen Institutionen, wie der Rechnungshof, Ombudsmann, Medien und Zivilgesellschaft sich für die Bekämpfung der Korruption engagieren.“
Laut Diana Kowatschewa ist auch eine Kontrolle der Bürger über strategische Projekte notwendig, bei denen große öffentliche Ressourcen ausgegeben werden.

Übersetzung: Vladimir Daskalov

По публикацията работи: Rumjana Zwetkowa


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