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Die Balkanregion im 21. Jahrhundert aus bulgarischer Sicht

Foto: Archiv
Auf der Landkarte gleicht die Balkanhalbinsel einem unregelmäßigen, umgekehrten Komma. Mit der Hand über den Peloponnes streifend, werden sich die Finger instinktiv um die Länder Südosteuropas zusammenziehen. Diese "Faust-Geografie" zeichnet sich auch in der Geschichte der Balkan-Völker ab.

"Die Balkan-Region ist sehr dynamisch auch in das 21. Jahrhundert gestartet", vermerkt Ljubomir Kjutschukow, Direktor des Instituts für Wirtschaft und internationale Beziehungen, in einem Interview für Radio Bulgarien. Anlass war eine vom Institut für Wirtschaft und internationale Beziehungen in Sofia veranstaltete Konferenz zum Thema "Die Balkanregion im 21. Jahrhundert aus bulgarischer Sicht".

"Trotz des Zerfalls von Jugoslawien sowie einiger Kriege in der Region würde ich die Dynamik auf der Halbinsel als positiv bewerten - fügt Ljubomir Kjutschukow hinzu. - Das Hauptmotiv war der EU-Beitritt aller Staaten Osteuropas sowie der NATO-Beitritt einer Reihe von Staaten, einschließlich aus unserer Region. Das war sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene ein Anreiz, Reformen auf den Weg zu bringen - auch um die Beitrittskriterien zu erfüllen."

"Die Balkan-Region hat in der Außenpolitik Bulgariens seit jeher Priorität - erklärt Institutschef Ljubomir Kjutschukow. - "Vor der Krise stand das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts im Zeichen der Formierung einer regionalen Balkan-Identität, einer engeren Zusammenarbeit zwischen den Ländern aus der Region als auch des notwendigen Ausbaus einer Reihe regionaler Projekte. Dieser Prozess begann, stark beeinflusst durch Griechenland, mit dem EU-Beitrittsplan für die gesamte Region. Diesem folgte die aktive Rolle Bulgariens im Zeitraum 2006-2008. Die regionale Zusammenarbeit wurde mit einer neuen Architektur versehen. Damit meine ich die Auflösung des Stabilitätspaktes für Südosteuropa als EU-Förderinstrument für die Region. Der Übergang zur Suche nach einer neuen Identität erfolgte mit der Gründung des Rates für regionale Zusammenarbeit, der de facto während unseres Kooperationsratvorsitzes für Südosteuropa auf den Weg gebracht wurde. Bulgarien muss seine bilateralen Beziehungen ausbauen und das in mehreren Richtungen. Erstens - mit allen Staaten des Westbalkans bezüglich deren NATO- und EU-Mitgliedschaft. Dieser Prozess darf aus Gründen der regionalen Sicherheit auf keinen Fall verlangsamt werden. Und zweitens - muss der Prozess hinsichtlich der Überwindung der über die Jahre angehäuften historischen, ethnischen, religiösen u.a. Probleme kontinuierlich weitergeführt werden. Drittens - fördert dieser Prozess die interne Integration der Staaten. Mit dem Zerfall Jugoslawiens sind eine Reihe neue Staaten entstanden, einige derer Probleme mit ihrer eigenen Identität haben. All das ist im Interesse Bulgariens. Wir haben unsere Mechanismen, um diese Entwicklung zu fördern. Notwendig ist der Ausbau der bilateralen Beziehungen mit den Nachbarstaaten auf politischer und wirtschaftlicher Ebene. Vor allem durch gemeinsame Infrastrukturprojekte wie Nabucco-West und South Stream sowie Pipeline-Verbindungen mit den Nachbarländern. Auch ist Bulgarien daran interessiert, dass sich die Region zu einem Investitionsstandort als auch als Tourismus- und Kulturdestination entwickelt. Selbstverständlich hat die Krise auch die Balkanregion getroffen. Einerseits fokussiert sich die Europäische Union auf sich selbst und rückt damit die Debatte über die europäische Zukunft des Balkans in den Hintergrund. Andererseits gibt es keine regionale Debatte über Zukunft Europas. Südosteuropa, einschließlich Bulgarien, setzt die Brüsseler Beschlüsse über den europäischen Weg der Region um, ohne sich selbst in diesen Prozess einzubringen. Nicht nur das muss sich ändern. Auch das Verständnis, dass der Balkan lediglich ein sicherheitspolitischer Konsument ist. Angesichts der Entwicklungen im Nahen Osten, in der Schwarzmeerregion, in den ehemaligen Sowjetrepubliken kommt der Balkanregion wachsende Bedeutung zu. Die Balkanregion darf weder als Pufferzone für politische Ausrichtungen und geopolitische Interessen angesehen werden noch als Schlachtfeld, auf dem diese Interessen aufeinandertreffen. Aus diesem Grund komme ich erneut auf die Notwendigkeit einer regionalen Identität zurück, die der Balkanregion zu einer eigenen Stimme verhilft", meint Ljubomir Kjutschukow, Direktor des Instituts für Wirtschaft und internationale Beziehungen, abschließend.

Übersetzung: Christine Christov
По публикацията работи: Iliana Rajtschewa


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