Dieser Tage hat der Chef des Tourismusinstituts in Sofia, Rumen Draganow, die Bemühungen der bulgarischen Skiorte, ihre Pisten im schneearmen Winter mit Kunstschnee irgendwie befahrbar zu halten, als eine „Heldentat“ bezeichnet. Er bediente sich der starken Worte, um das Ansehen Bulgariens als vierstärkstes Skiland in Europa aufrecht zu erhalten. Die Naturschützer liefen jedoch Sturm. „Hoffentlich erleben wir solche Heldentaten nicht mehr“, kommentierte sie im Facebook. Über die Kontroversen – der folgende Beitrag von Maria Dimitrowa-Pichot.
Die Naturschutzorganisationen in Bulgarien glauben nicht so recht an eine glänzende Zukunft Bulgariens als Skidestination in Europa. Der Grund seien die Klimaveränderungen, die den Skifreunden in diesem Jahr einen Strich durch die Rechnung gezogen haben – der Winter hat nicht nur in Bulgarien schneearm und ausgesprochen mild begonnen. Die Naturschützer kritisieren zudem die Bemühungen der Skigebiete in Bulgarien, sich mit den Alpen zu messen. Laut Alexander Duntschew von WWF Bulgarien gebe es in Bulgarien keine einzige Skipiste, die allen gesetzlichen Anforderungen entspreche. Das betreffe auch einen neuen Viersessellift in Pamporowo, der ohne Baugenehmigung einen alten Schlepplift ersetzt hat. Der Betreiber des Skiortes hat die alte Anlage ersetzt, ohne auf die Lösung eines jahrelangen Streits über die Eigentumsrechte des Bodens abzuwarten.
„Das ist nur ein konkretes Beispiel, das man auch in anderen Skiorten beobachten kann“, behauptet Alexander Duntschew. „Viel schlimmer ist, dass oftmals illegale Bauarbeiten in den Bergen nicht einmal im Nachhinein legalisiert werden, weil man die Investoren keiner Verantwortung unterzieht. Sobald ein Investor nicht mehr zur Verantwortung herangezogen wird, fühlt er sich frei, zu handeln. Wo bleibt das Interesse der Gemeinschaft, nachhaltigen Skitourismus zu entwickeln“, fragt Alexander Duntschew.
Besonders drastisch und immer wieder Grund für offene Kontroversen zwischen Naturschützern und Betreibern der Skigebiete in Bulgarien ist es in Bansko. Dort habe der Betreiber Ulen AG die Skizone auf 65 Hektar mehr Waldfläche gebaut, als eigentlich erlaubt. Einen drastischen Verstoß gegen die Regeln stellt aber der illegal gebaute Sessellift im Rila-Gebirge, der im Sommer und im Winter Touristen zu den berühmten Rila-Seen befördert, meint Alexander Duntschew vom WWF.
„Unter diesem Lift führt eine Skipiste, die in den Papieren nicht einmal als Piste geführt wird, im Winter jedoch gern als Piste genutzt wird“, sagt Duntschew. „Verschiedene Institutionen haben mehrmals versucht, das Abholzen des Waldes in diesem Schutzgebiet zu stoppen, jedoch ohne Erfolg“, behauptet der Naturschützer.
In solchen Fällen, wie im Rila-Gebirge, ist zudem die Sicherheit der Skifahrer nicht gewährleistet, kritisiert Duntschew weiter. Und trotzdem – sieht er Möglichkeiten für die Entwicklung des Wintersports in Bulgarien, dessen Territorium zu zwei Dritteln von Bergen eingenommen ist? Dazu wieder der WWF-Aktivist:
„Ja, jedoch nicht für den Bau von riesigen Skigebieten“, sagt Alexander Duntschew. „Der Grund sind die klimatischen Gegebenheiten in Bulgarien. Der Schnee bleibt nur im höchsten Teil der Berge für längere Zeit liegen, die in der Regel aber großräumige Schutzgebiete sind. Dort ist Neubau grundsätzlich verboten. Im Gegensatz dazu kann man in Bulgarien Wintersport in einem gewissen Rahmen betreiben, was auch davon abhängig gemacht werden sollte, wie viele Menschen in Bulgarien Ski oder Snowboard fahren. Hinzu sollte den Einheimischen die Möglichkeit gegeben werden, vom Skitourismus zu leben – als Inhaber kleiner Familienhotels und nicht als Bedienungspersonal der großen Investoren in ihren wuchtigen Hotels“, sagt Duntschew.
In schneearmen Wintern, wie dieses Jahr, setzen die Betreiber der Skigebiete auf Kunstschnee, was Probleme mit der Trinkwasserversorgung nach sich zieht. Die darin eingesetzten Chemikalien sind ein Risiko für das Trinkwasser, warnt Duntschew. Ihm zufolge meldet Bansko in diesem Jahr zum ersten Mal Engpässe in der Trinkwasserversorgung. Laut Duntschew ist das kleine Städtchen Tschepelare in den Rhodopen das einzige positive Beispiel dafür, wie man Wintersport und Natur unter einen gemeinsamen Nenner bringen kann. Dort gibt es nur eine Skipiste mit einem Sessellift. Die Investoren kommen aus der Stadt, die Hotels sind von Einheimischen. „Dort ist man auf keine Riesenanlagen aus, man schützt die Natur und viele junge Menschen ziehen es vor, in Tschepelare Ski zu fahren, als anderswo in Bulgarien“, behauptet Alexander Duntschew von WWF Bulgarien.
Übersetzung: Vessela Vladkova
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