2014 – das Jahr der Europawahlen ist für Osteuropa ein Jubiläumsjahr. Vor genau zehn Jahren fand die fünfte EU-Erweiterung statt, die als „Osterweiterung“ in die Geschichte eingegangen ist. Mit einem Mal wurden gleich zehn neue Mitglieder aufgenommen, von denen acht dem ehemaligen Ostblock entstammten. Drei Jahre später folgten Bulgarien und Rumänien. Wenige Tage vor dem Start der EU-Wahlkampagne in Bulgarien, wurden in Sofia eine Reihe von Veranstaltungen zu dem Erweiterungs-Thema organisiert; darunter eine internationale Konferenz unter dem Motto: „Europa und ihre neuen Bürger – von der Mobilität zu den Wahlen“.
„Die bulgarische Hauptstadt wurde nicht zufällig als Austragungsort gewählt, denn sie bewirbt sich, 2019 Kulturhauptstadt Europas zu werden“, sagte die Oberbürgermeisterin Sofias, Jordanka Fandakowa. Sie erwartet vom Forum vor allem eine Stärkung des Vertrauens in die europäischen Institutionen und der gegenseitigen Solidarität, insbesondere der 12 Länder der EU-Osterweiterung. Und weiter:„Die Bürger Bulgariens glauben an die EU und die europäischen Institutionen, weil sie in den letzten Jahren deutlich die europäische Solidarität zu spüren bekommen haben – und das das nicht nur in finanzieller Form aus den Struktur- und Kohäsionsfonds“, ist Fandakowa überzeugt. „Die EU-Mitgliedschaft bedeutet den Bulgaren Freiheit, Demokratie und Pluralismus und vor allem langerwartete Prinzipien. Daher sehe ich mit Sorge auf die Erscheinungen der letzten Monate, bei denen die Institutionen schlecht gemacht werden, damit sich die Bürger von der Politik angeekelt fühlen und gänzlich das Vertrauen in ihr verlieren. Das sind für die Demokratie gefährliche Tendenzen. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir mit Hilfe der Bemühungen aller demokratischen Institutionen und Bürgerstrukturen und insbesondere der Akademiker, den Glauben an die Institutionen bewahren können. Nur so können die Menschen mit der Entwicklung des Landes und der EU als Ganzes engagiert werden.“
Laut der Beraterin von Staatspräsident Plewneliew, Rumjana Kolarowa, seien die Bürger Europas „das große Thema und die große Frage der Erweiterung“. In der Anfangsarchitektur der Union habe man den Mitgliedsländern bei weitem mehr Befugnisse, als den Bürgern zuerkannt, meint sie. Zwar würde das Europaparlament von den Bürgern gewählt, es ähnele jedoch eher einem Staatsoberhaupt, als einem Landesparlament. Das Europaparlament genieße hohe Autorität, besitze aber nur beschränkte Vollmachten. Die Rolle der Bürger bei der Beschlussfassung werde aber zunehmend stärker, ist Kolarowa überzeugt. Leider seien die Bürger der neuen Mitgliedsländer nur wenig aktiv. Die extrem niedrige Beteiligung an den Europawahlen in der Slowakei und in Slowenien belege es – lediglich 17 bis 19 Prozent gingen zu den Urnen. Das Verhalten der Bürger sei nicht nur ein Problem der neuen, sondern auch der alten Mitglieder. „Daran sei ihre Einstellung zur Demokratie erkennbar, wie auch die Treue der Parteien gegenüber den demokratischen Werten, wie auch der Regierungen gegenüber den Prinzipien der Solidarität und Gleichgestelltheit“, erläutert die Präsidentenberaterin.
„Die Menschen müssen ihre Treue gegenüber den demokratischen Werten bewahren, selbst wenn ihnen eine ihnen unbekannte Gruppe begegnet, die äußerlich und kulturell verschieden ist“, setzt Rumjana Kolarowa fort. „Auch wenn diese unbekannte Menschengruppe vielleicht Gesetze verletzt, sich unüblich benimmt und eine andere Lebensweise besitzt. Damit hängt nicht nur die Einheit in der Vielfalt zusammen, sondern vor allem die Toleranz, das Recht auf Gleichgestelltheit, auf die eigene Freiheit und die der anderen.“
Die Europäische Bürgerinitiative, bei dermindestens eine Million Unionsbürger aus mindestens einem Viertel (derzeit sieben) Mitgliedstaaten einen Rechtsakt zu einem Thema vorzuschlagen kann, befindet sich jedoch noch in den Kinderschuhen.
„Es wäre gut, zwischen der Europäischen Bürgerinitiative und den Formen der direkten Demokratieausübung in Bulgarien eine Parallele zu ziehen“, meint weiter Rumjana Kolarowa. „Es war übrigens sehr gut, dass in unserem neuen Gesetz über die Volksbefragungen eine Regelung aufgenommen wurde, die dem Geist der Europäischen Bürgerinitiative entspricht. Wir sind aber noch weit davon entfernt, eine legislative Initiative irgend einer Bürgervereinigung in der Europäischen Union ins Auge zu fassen. In den einzelnen Ländern ist diese Verbindung bei weitem direkter. Die Gesetzgeber – eine Gruppe von Angeordneten, reichen Gesetzesprojekte eben in Ergebnis der Bürgerenergie ein, sei es auf Druck der Bürger oder aus Eigeninitiative hin“, sagte abschließend die Beraterin des bulgarischen Staatspräsidenten, Rumjana Kolarowa.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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