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Tausende Krankenschwestern verlassen Bulgarien wegen Unterbezahlung

Foto: BGNES

Das Gesundheitswesen ist in Bulgarien chronisch unterfinanziert. Der Geldmangel ist überall zu spüren, auch in der Arbeitsatmosphäre. Die Konflikte zwischen Ärzten und Patienten sind vorprogrammiert. Der Geldmangel bedeutet aber auch keine Möglichkeit, sich als Arzt oder Krankenschwester weiter zu bilden. Die Krankenschwestern und Pflegekräfte sind zudem unterbezahlt. Deshalb suchen die jüngeren unter ihnen das Weite und wandern aus.

Nicht nur die EU-Länder nehmen sie gern auf – Pflegepersonal aus Bulgarien ist in vielen Ländern der Welt anzutreffen. Denn die medizinische Ausbildung ist in Bulgarien nach wie vor gut. „Der Mangel an Krankenschwestern ist inzwischen deutlich zu spüren“, behauptet Prof. Stanka Markowa vom Verband der Pflegekräfte. Sie weiß aus ihrer langjährigen Erfahrung, dass überall in der Europäischen Union die Krankenschwestern und Pflegekräfte rar sind. Sobald sie in Bulgarien ihr Diplom in der Tasche haben, wandern sie aus. Und so arbeiten die in Bulgarien ausgebildeten Fachkräfte im EU-Ausland, aber auch in Kanada, den USA, Algerien, Libyen, Südafrika und vielen anderen Ländern. Während in den Krankenhäusern hierzulande die Älteren bleiben. Die Bulgaren sind generell fremdsprachenbegabt, diejenigen, die auswandern möchten, lernen aber intensiver und bereiten sich parallel zum Studium auf einen späteren Job im Ausland vor. Prof. Markowa kann es einerseits verstehen – bei einem Durchschnittslohn von umgerechnet 230 Euro im Monat bietet der Job als Krankenschwester in Bulgarien keine all zu großen Möglichkeiten. Im Ausland verdient man das Dreifache. Mehr noch – in nur wenigen Jahren hat sie im Ausland die Chance, Oberschwester zu werden, was das unreformierte Gesundheitssystem in Bulgarien nicht bietet. Von den 55.000 Krankenschwestern in Bulgarien vor der Wende sind heute knapp die Hälfte im Land geblieben. Darunter machen die jungen Fachkräfte unter 30 Jahren gerade mal 4 Prozent aus, resigniert Prof. Markowa.

Jede Regierung in Bulgarien seit der Wende, jeder neue Gesundheitsminister übernahm den Posten mit dem Versprechen, das Gesundheitswesen von Grund auf zu reformieren. Geblieben sind nur die Wahlversprechen“, sagt Prof. Markowa weiter. „Alle Reformen drückten sich bisher in Personalkürzungen aus, die in erster Linie das Pflegepersonal betrafen, einschließlich der Krakenschwester. So haben wir heute einen Durchschnittsalter in diesem Beruf von knapp 50 Jahren. Rund 3600 Krankenschwestern sind bereits im Rentneralter. Manche von ihnen arbeiten mit 70 Jahren weiter, einerseits, weil der Personalmangel akut ist, andererseits würden sie eine so mickrige Rente bekommen, dass sie lieber berufstätig bleiben“, kommentiert Prof. Markowa vom Verband der Pflegekräfte.

Das ist aber bei weitem nicht alles – 65 Prozent der Krankenschwestern müssen einen zweiten Job annehmen, um über die Runden zu kommen. Neben dem staatlichen oder Gemeindekrankenhaus arbeiten sie auch in privaten Pflegeeinrichtungen. Dann kommen sie auf ein monatliches Einkommen von umgerechnet 600 Euro, und es reicht trotzdem nicht, um in Bulgarien gut zu leben.

Eine OP-Schwester in Großbritannien bekommt bis zu 5000 Pfund monatlich. Das ist mit den hiesigen Verhältnissen gar nicht zu vergleichen“, sagt Prof. Stanka Markowa. „Selbst in Pflegeeinrichtungen, wie etwa Altersheimen oder Hospizen zahlt man auf der Insel Gehälter von mindestens 1200 Pfund im Monat. Natürlich kann ich die jungen Krankenschwestern verstehen, wenn sie auswandern“, sagt die Professorin.

Der Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal ist insbesondere in den kleinen Ortschaften in Bulgarien zu spüren, wo auch die Ärzte weggehen. Aber auch in der Hauptstadt, wo sich die größten Kliniken des Landes befinden, klagt man inzwischen über unbelegte Stellen für Krankenschwestern.

Übersetzung und Redaktion: Vessela Vladkova



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