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Hagelschlag wirft Fragen auf

Foto: BGNES

In der zu Ende gehenden Woche wurden die meisten Bulgaren an das Poem „Der Hagel“ des bulgarischen Klassikers Pejo Jaworow erinnert. Obwohl wir rund 100 Jahre später leben, stellte sich heraus, dass wir in keiner Weise sicherer vor solchen Wettererscheinungen sind. Am Dienstag wurde Sofia von einem Hagelschlag heimgesucht, der wahrhaft apokalyptisch anmutete. Walnussgroße Hagelkörner schossen mit einer Geschwindigkeit von 80 bis 100 Kilometer pro Stunde, gleich einem dichten Bombenteppich, umher. Starke Böen schleuderten die weißen Eisgranaten zuweilen fast waagerecht durch die Luft. Die Straßen bedeckten sich in Sekundenschnelle mit Eis und all dam, was es auf seinem Weg mit sich gerissen hatte – Glasscherben, Putz, Bruchstücke von Dachziegeln und massenweise Blätter und sogar Äste. In das unheimliche Dröhnen mischte sich das Klirren von zerberstenden Fenster- und Autoscheiben. Die Kanalisation sah sich außer Stande, den begleitenden starken Regen abzuleiten, zumal Eis, Blätter und Scherben die Schächte schnell verstopften. Die Straßen verwandelten sich in schnellfließende Bäche. Niedrig liegende Läden, wie auch viele Keller liefen sofort voll. In nur 20 Minuten schien wieder sommerlich heiß die Sonne und viele Bürger kramten ihre Schneeschaufeln heraus, um die Überreste des Hagels weg zu schippen. Das Unwetter richtete große Sachschäden an und kostete einem älteren Bürger das Leben, der unter einem Baum Schutz gesucht hatte – ein herabfallender Ast erschlug ihn. Gegen solche Wettererscheinungen kann man so gut wie nichts machen, doch hätte man nicht rechtzeitig gewarnt werden können? Die Meteorologen hatten für diese Woche Hagel angekündigt, doch selbst sie waren von der Intensität des Unwetters überrascht. Die örtlichen Organe hatten ihrerseits anscheinend Besseres zu tun, als auf die Wetterfrösche zu hören. Die Bulgarische Hagelschutzagentur konnte die aus Richtung Serbien kommende gefährliche Wolke erst acht Minuten vor dem Hagelschlag über Sofia orten. Da diese Einrichtung nur landwirtschaftliche Flächen vor Hagel zu schützen hat und auch nicht das Recht hat, über Ortschaften, geschweige denn Großstädten Raketen gegen die Hagelbildung abzuschießen, tat sie nichts und gab auch keine Warnsignale an die Bürger ab, zu denen sie in diesem Fall auch nicht verpflichtet war. Informiert wurden pflichtgemäß lediglich die Luftstreitkräfte und der Zivilschutz. Letzterer braucht aber mindestens 15 Minuten, um sein Lautsprecherwarnsystem in Gang zu setzen. Unterm Strich kommt heraus, dass in Fällen wie diesem die Bevölkerung einfach keine Chance hat, rechtzeitig gewarnt zu werden. „Nach der Flutkatastrophe im Viertel Asparuchowo von Warna, bei der etliche Menschen ums Leben kamen, hat sich ein weiteres Mal gezeigt, dass der Staat von seinen Verpflichtungen zurückgetreten ist“, kommentierte eine bulgarische Tageszeitung das Geschehen. Es taucht berechtigt die Frage auf, wie das Innenministerium die nahezu 20 Millionen Euro eingesetzt hat, mit denen ein Frühwarnsystem aufgebaut werden sollte, das sichtlich immer noch nicht funktioniert. Und noch eine Tatsache ist bedenklich – in Folge des Unwetters in Sofia wurden mit als erste Einrichtung der „Medizinische Rettungsdienst“ und das Rote Kreuz überflutet und brauchten selbst erst einmal Hilfe. Bleibt zu hoffen, dass die von Premierminister Plamen Orescharski angeordnete Untersuchung der Ursachen für die verzeichneten Missstände auch tatsächlich deren Beseitigung zur Folge hat.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow




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