Zu einer Zeit, in der die Krise in Griechenland alle Blicke auf sich zieht, statteten Staatspräsident Rossen Plewneliew und Außenminister Daniel Mitow der Ukraine einen offiziellen Besuch ab. Das war seit 12 Jahren die erste Visite eines bulgarischen Staatsoberhauptes in diesem Land; diese Pause ist durchaus nicht unbegründet, doch das ist ein anderes Thema. Die jüngsten Gespräche deuteten auf den Zweck des Besuchs hin – Bulgarien bestätigte seine politische Unterstützung für die Ukraine in ihrem Streit mit Russland.
Staatspräsident Plewneliew besuchte Kiew in einem Augenblick heftiger Auseinandersetzungen zwischen der Ukraine und Russland, die sich erneut um das Erdgas drehen. Wenige Tage zuvor waren die Verhandlungen beider Länder mit der Europäischen Union über die Gaslieferungen gescheitert. Die russische Seite willigte nicht auf die Forderung der Ukraine nach einem Preisnachlass ein; die Ukraine weigerte sich daraufhin, russisches Gas zu kaufen; im Gegenzug kündete die russische Gazprom an, die Transitbeförderung russischen Gases durch die Ukraine nach 2019 einzustellen und unter keinen Umständen wieder aufzunehmen. Kiew möchte aber gern weiter russisches Gas nach Europa weiterbefördern, kann aber entsprechend auch Gas aus der anderen Richtung (Slowakei, Ungarn und Polen) erhalten. Die ukrainische Regierung wird bereits in der kommenden Woche mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der Europäischen Investitionsbank und dem Internationalen Währungsfonds über eine finanzielle Hilfe verhandeln, mit der die notwendigen Gasreserven für die kommende kalte Jahreszeit aufgefüllt werden sollen.
Bulgarien kann seinerseits keineswegs teilnahmslos bleiben, denn wir beziehen über die Ukraine fast unser gesamtes Gas. Angesichts der entstandenen Situation schlug Staatspräsident Plewneliew die Nutzung der bestehenden Gasverbindungen zwischen Bulgarien und der Ukraine vor, anstatt neue teure Projekte in Angriff zu nehmen. Plewneliew bezog im russisch-ukrainischen Streit offen eine Stellung, indem er betonte, dass das Gas keine Waffe sei, sondern eine Ware, die die Hersteller bei Einhaltung aller Vereinbarungen nach Europa transitieren und dort zu Marktpreisen verkaufen sollten. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass Bulgarien im Winter 2008/2009 ohne Gaszustellungen blieb, obwohl es alle seine Rechnungen beglichen hatte; der einzige Grund war der damalige Streit zwischen Moskau und Kiew. Ferner riet Plewneliew, dass sich der Gashandel an den Forderungen der Europäischen Union orientieren sollte – jedes Land müsse über drei alternative Gaszusteller und drei alternative Lieferrouten verfügen.
Die offizielle Visite des bulgarischen Staatspräsidenten fiel ferner mit den Verhandlungen der Kontaktgruppe mit der Ukraine in Minsk, Weißrussland, zusammen. Der Gruppe selbst gehören Vertreter Moskaus, Kiews und der OSZE, wie auch prorussische Separatisten an, die die Abspaltung der Ost-Ukraine und deren Anschluss an Russland (wie es bereits mit der Krim geschehen ist) anstreben. Rossen Plewneliew sprach vor dem Hintergrund dieser heiklen Verhandlungen die Unterstützung Bulgariens für die Souveränität, die Unabhängigkeit und die territoriale Integrität der Ukraine zu. Bulgarien würde auch nicht die Annexion Sewastopols und der Krim anerkennen und ist der Ansicht, dass die Krise im Donezkbecken nur bei Einhaltung der Vereinbarungen von Minsk gelöst werden könne. Auf diese Weise stellte sich das bulgarische Staatsoberhaupt auch zu dieser Frage hinter Kiew.
Der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko kündete an, dass der Aufbau eines Transportkorridors in Angriff genommen werde, der Odessa mit Rumänien und Bulgarien verbinden solle. Im Gegenzug informierte Rossen Plewneliew, dass die Fährverbindung zwischen dem bulgarischen Schwarzmeerhafen Warna und dem ukrainischen Illitschiwsk wiederaufgenommen werden wird. Dahinter stünden wirtschaftliche Erwägungen, meinte Plewneliew und verwies auf die wiederhergestellte Schiffsverbindung zwischen dem bulgarischen Burgas und dem georgischen Poti, die Bulgarien in den zweitgrößten Exportmarkt Georgiens verwandelt habe.
Die Gespräche in Kiew drehten sich nicht an letzter Stelle um die Lage der relativ großen bulgarischen Minderheit in der Ukraine. Von bulgarischer Seite wurde ein Dank für die ukrainische Politik gegenüber den ethnischen Bulgaren ausgesprochen. Außenminister Daniel Mitow brachte seine Zufriedenheit zum Ausdruck, dass der bulgarische Fernsehkanal „BNT World“ nun auch in den ukrainischen Städten Odessa und Ismajil zu empfangen ist. Andere Städte sollen folgen. Damit werde die Verbindung zwischen Bulgarien und der dortigen bulgarischen Minderheit gestärkt. Die Bürger würden ferner besser über die Europäische Union und die NATO informiert werden und könnten so auch einen aktiveren Beitrag auf dem europäischen Weg der Ukraine beisteuern, ist Mitow überzeugt. Die EU-Integration der Ukraine klang übrigens in allen Gesprächen der offiziellen Visite durch und sorgte so für deren vereinigenden Charakter.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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