Der Anfang dieser Woche stand politisch ganz im Zeichen der regionalen Politik. Denn nach Sofia reiste zunächst der griechische Präsident Prokopis Pavlopoulos, gefolgt vom türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu. Beiden Visiten standen aber nicht nur regionale Themen im Mittelpunkt, sondern auch EU-Themen, wie etwa die Flüchtlingskrise.
Die Unterredungen in Sofia fanden zu einem Zeitpunkt statt, als die EU erwägt, Zehntausende Flüchtlinge der Türkei abzunehmen. Acht EU-Länder treffen am Rande des EU-Gipfels zusammen, um darüber zu beraten. Es geht um etwa 40.000 bis 50.000 Menschen, die im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk auf legalem Weg in die EU geholt werden sollen. Die Bedingung dafür ist allerdings, dass die Grenze zwischen der Türkei und Griechenland gesichert wird, und das wird ebenfalls ein Thema des bevorstehenden Gipfels.
Bei seinen Unterredungen mit dem griechischen Staatschef hat der bulgarische Präsident Plewneliew wiederholt betont, dass die Flüchtlingskrise ein gemeinsames europäisches Problem ist. Bulgarien fordert die Einrichtung von Hotspots für die Registrierung und Erstversorgung der ankommenden Flüchtlinge, die nicht nur in Griechenland und Italien entstehen sollen, sondern auch in Ländern auf der Balkanroute. Um keine weiteren Spannungen innerhalb der Europäischen Union aufkommen zu lassen, sprachen sich Pavlopoulos und Plewneliew für gemeinsame Regeln aus, die von allen Mitgliedsländern eingehalten werden.
Noch ein Thema stand im Mittelpunkt der Gespräche in Sofia. Am Montag haben in Brüssel die Beitrittsverhandlungen der EU mit Serbien begonnen, während im Beitrittsprozess mit der Türkei ein nächster Schritt getan wurde. Bulgarien und Griechenland unterstützen die EU-Integration der Westbalkanländer, allerdings unter der ausdrücklichen Bedingung, dass sie die EU-Kriterien erfüllen. Das beziehe sich auch auf Mazedonien, das ein Nachbarland sowohl von Bulgarien, als auch von Griechenland ist. An Skopje haben beide Präsidenten erneut appelliert, gutnachbarschaftliche Beziehungen zu pflegen und sich an der historischen Wahrheit zu halten. Griechenlands Präsident Pavlopoulos richtete auch an die Türkei kritische Worte, Ankara solle die wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten in Europa akzeptieren und sich am Völkerrecht halten.
Die Flüchtlingsproblematik war auch bei den Gesprächen des türkischen Ministerpräsidenten Davutoglu in Sofia vorherrschendes Thema. Bulgarien und die Türkei wollen enger in der Verhinderung von illegalen Grenzübertritten kooperieren. Unklar blieb allerdings, wie Bulgarien, Griechenland und die Türkei über die Idee der EU für einen Ausbau der Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen Frontex denken. Angesichts der Flüchtlingskrise will die EU-Kommission Frontex stärken und zu einer richtigen Grenztruppe ausbauen, die auch gegen den Willen von Staaten aktiv werden kann. Das würde in erster Linie Griechenland an seinen Grenzen zur Türkei und Mazedonien betreffen. Das Thema wurde in Sofia vermutlich auch deshalb absichtlich umgangen, weil darüber zunächst der EU-Gipfel und dann das Europaparlament zu debattieren und zu entscheiden haben.
Dafür aber stand ein anderes Thema im Mittelpunkt, das sowohl regionale, als auch europäische Bedeutung hat: die Energielieferungen. Bulgarien und Griechenland haben erst kürzlich endgültig vereinbart, dass sie ihre Gasleitungsnetze miteinander koppeln wollen, um dadurch Gas in beiden Richtungen transitieren zu können. Das gleiche Unterfangen steht mit der Türkei unmittelbar bevor. Die Gasleitungsverbindungen unter den Ländern in Südosteuropa stehen seit 2009 auf der Tagesordnung, als infolge des Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine weite Teile der Balkanhalbinsel mitten im Winter wochenlang ohne Gas ausharren mussten. „Uns stehen große Projekte bevor“, konstatierte Bulgariens Ministerpräsident Borissow auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem türkischen Regierungschef Davutoglu. Und verwies im gleichen Atemzug darauf, dass die Beziehungen zwischen der Türkei und Russland wieder in geregelten Bahnen kommen müssen.
Deutsche Fassung: Vessela Vladkova
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