Als er seine Solidarität mit Ex-Justizminister Hristo Iwanow bekundet hat, der wegen Missachtung seiner Justizreformideen zurückgetreten ist, hat Präsident Rossen Plewneliew sicherlich nicht vermutet, dass eine seiner engsten Vertrauten – die Chefin seines eigenen Kabinetts, Ekaterina Zachariewa, diesen Posten beziehen wird.
Die neue Justizministerin übernimmt den Posten in einer äußerst prekären und komplizierten Situation. Die Justizreform trifft nicht nur unter den Politikern, sondern auch in der Juristengilde und bei NGOs, die mit diesem Fach engagiert sind, auf unterschiedlichste Reaktionen. 100prozentige Unterstützung bekam die Kandidatur von Zachariewa nur von Seiten der Regierungspartei GERB und dem Koalitionspartner ABW. Gespalten fiel die Abstimmung im zweitgrößten Regierungspartner, dem Reformblock, aus. 13 seiner Abgeordneten stimmten für Zachariewa, einer dagegen, sechs enthielten sich der Stimme. Partielle Unterstützung bekam sie auch von Seiten der Patriotischen Front und des Bulgarischen Demokratischen Zentrums. Rigoros gegen die neue Justizministerin sind die großen Oppositionskräfte – die BSP und die Türkenpartei DPS. Zachariewas Opponenten aus politischen und juristischen Kreisen tun sie als schwache Juristin und schwache Verwaltungsexpertin ab, obwohl sie Ministerposten in zwei Übergangsregierungen inne hatte.
Heikel ist es um die Justizreform nicht nur unter den Politikern, sondern auch unter den Magistraten bestellt. Während präzedenzloser Proteste der Magistraten forderte der Richterverband den Rücktritt aller Mitglieder des Obersten Justizrats. Das Motiv: die Institution habe sich durch eine Reihe umstrittener Beschlüsse maßlos kompromittiert und könne unter diesen Umständen nicht mehr normal funktionieren. Die offensichtlich unter Druck der Exekutive gefasste Entscheidung des Obersten Justizrats, die angesehene Richterin Nelly Kuzkowa nicht zur Vorsitzenden des Sofioter Appellationsgerichts zu wählen, hat die Magistraten in helle Aufregung und Rage versetzt. Worten des Vorsitzenden des Kassationsgerichts zufolge würden Anhänger des Status Quo und die Oligarchie in den letzten Monaten einen präzedenzlosen Krieg gegen die Durchführung einer realen Justizreform führen. Richter protestierten zum erstenmal vor dem Gerichtsgebäude in Sofia und die NGO „Justiz für alle“ forderte von der Justizministerin Zachariewa, eine neue Prozedur für Verfassungsänderungen zu starten und den von ihrem Vorgänger ausgearbeiteten Justizgesetzentwurf ins Parlament einzubringen. Mit dem justizinternen Druck solidarisierten sich auch die Botschafter der Niederlande und Großbritanniens, nachdem vorher der französische Botschafter seine Solidarität mit Ex-Justizminister Iwanow bekundet hatte.
Im Kreuzfeuer der Politiker, der eigenen Gilde und der Diplomaten hat Justiuzministerin Zachariewa durchblicken lassen, dass sie bei den Streitigkeiten, die zum Rücktritt von Christo Iwanow geführt haben, für keine Partei Seite ergreifen will. Vielmehr will sie auf ein Justigesetz hinarbeiten, das sich jedoch von Iwanows Variante unterscheiden soll, um den jüngsten Verfassungsregelungen zu entsprechen. Aus Zeitgründen will sie keine neuen Verfassungsnovellen initiieren, sondern aktiv am Gesetz über die Justizreform arbeiten. Deshalb will sie Anfang 2016 einen Rat für die Justizreform aufstellen, zu dem alle Interessierten Zugang haben – sprich Magistraten, Wissenschaftler und Zivilgesellschaft. Stellung zu Streitfragen will Zachariewa nicht beziehen. Ihr Argument lautet, die „Wahrheit sei irgendwo in der Mitte“. Aus diesem Grund wolle sie keine Partei ergreifen und den Dialog fördern, damit das Kriegsbeil begraben werden könne.
Manche könnten diese Haltung von Zachariewa als charakterlos abtun, doch sie hat weder eine Wahl, noch Zeit. Eine Fortsetzung der Verfassungsreformen könnte monate- wenn nicht gar jahrelange Debatten bedeuten, Ende Januar steht aber der neue EU-Bericht über die Fortschritte in der Justizreform an. Unter diesen Umständen sind partielle Reformen in der richtigen Richtung besser als gar keine. Für ehrgeizigere Ziele fehlt es derzeit an einer politischen und parlamentarischen Mehrheit.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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