Die jüngsten Gespräche zwischen den Koalitionspartnern in der Regierung sorgten für eine Überraschung: die sich als linke Partei ausgebende ABW zieht sich von der Regierung zurück und wird sie nicht mehr unterstützen.
Anlass für diese Entscheidung war das Veto von Staatspräsident Rossen Plewneliew, der sich gegen die Beschneidung des Wahlrechts der Auslandsbulgaren aussprach, was in den Novellen zum Wahlgesetz vorgesehen war. Bereits vor einem Monat hatte die ABW-Partei (eine Splitterpartei der Bulgarischen Sozialistischen Partei) gewarnt, dass sie mit den Wahlgesetznovellen nicht einverstanden sei. Nun erklärte sie sich mit den Argumenten des Staatspräsidenten einverstanden und stieg aus; ihr höchster Regierungsvertreter, der Vizepremier und Arbeits- und Sozialminister Iwajlo Kalfin reichte seinen Rücktritt ein. Und das obwohl die GERB-Partei nachgegeben und die strittigen Textstellen wieder streichen wollte. Anscheinend steckt hinter dem Schritt der ABW etwas anderes dahinter.
Nunmehr sieht die Lage so aus, dass die Regierung von Bojko Borissow lediglich auf 114 Stimmen im Parlament bauen kann; um eine Mehrheit zu haben braucht sie aber 121. Dennoch wurde der Rücktritt Kalfins sofort angenommen, während sich der Reformblock zufrieden zeigte, dass der einzige linksorientierte Koalitionspartner gegangen ist.
Das Präsidentenveto ließ düstere Schatten ahnen und Borissow sah mit Recht die Mehrheit und die Regierung wanken, auch wenn er die Patriotische Front anvisierte, die stur und steif an den Novellen festhält. Nun bleiben Borissow zwei Möglichkeiten: entweder vorgezogene Wahlen oder Suche nach neuen Partnern. Der Regierungskoalition, bestehend aus der GERB-Partei, dem Reformblock und der Patriotischen Front, könnte sich das Bulgarische Demokratische Zentrum anschließen, das über 14 Sitze verfügt, mehr sogar, als die ABW. Eine weitere Möglichkeit ist, eine Unterstützung von den 6 Abgeordneten der DOST-Partei zu erhalten, die unlängst von der Türkenpartei „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ abgesplittert ist. Das würde aber wiederum die Patriotische Front noch mehr verärgern, da sie der DOST-Partei feindlich gegenüber steht.
Der Austritt der ABW verleiht paradoxer Weise den Demokraten für ein starkes Bulgarien (DSB) einen Auftrieb. Die Demokraten gehören dem Reformblock an, verweigern der Regierung aber seit rund einem Jahr ihre Unterstützung. In der jetzigen Lage erhalten die Ansichten der DSB ein größeres Gewicht und die Regierung wird zwangläufig genötigt sein, ihr eine größere Aufmerksamkeit zu schenken.
Der ABW-Austritt aus der Mitte-Rechts-Führung wird mit Sicherheit auch Folgen für die Linke haben. Vertreter des Reformblocks und der Patriotischen Front brachten den Schritt der ABW sofort mit den angekündigten Absichten der neuen Parteichefin der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP) in Verbindung. Kornelia Ninowa hatte angekündigt, linken Parteien vereinen zu wollen und einer Mitte-Links-Regierung zur Macht zu verhelfen. Etwaige Abmachungen zwischen der BSP und der ABW liegen im Dunkeln, sind aber nicht abwegig.
Gut möglich, dass die ABW auch andere Gründe zu ihrem Austritt bewegte. Es könnte sich um einen gekonnten Schachzug im Vorfeld der im Herbst anstehenden Präsidentschaftswahlen handeln. Ende März hatte der ehemalige Staatspräsident und jetzige Parteichef der ABW, Georgi Parwanow, in einem Interview gesagt, dass er sich keinesfalls als künftigen Vizepräsidenten sehe. Wohin er zielt, hat er bis zum Augenblick nicht gesagt.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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