Ist uns eigentlich bewusst, dass unser Alltag voller Buchstaben ist? Man denkt nicht darüber nach. Sie sind einfach da. Was macht jedoch einen gegebenen Text lesbar? Zuweilen hat man trotz interessantem Inhalt Probleme beim Lesen. Denn dabei kommt es auf die Schrift und ihre visuelle Wirkung an, ist die in London lebende und arbeitende Bulgarin Krista Radoewa überzeugt, die den Beruf eines Schriftdesigners gewählt hat.
"Alles hat ganz behutsam angefangen", erzählt Krista Radoewa. "Bereits in meiner Kindheit malte ich gern und hatte eine Vorliebe für Kunst und Literatur. Am Gymnasium für alte Sprachen lernte ich neue Sprachen, ihr Schrifttum und ihre Geschichte kennen. Dennoch fehlte mir der visuelle Bezug. So entschied ich mich für ein Grafikdesignstudium in London. Dort hatten meine Projekte immer mehr mit Typografie zu tun. Auf diese Weise profilierte ich mich unmerklich. Mir wurde klar, dass dieser Beruf wie für mich geschaffen ist. Anschließend studierte ich Schriftdesign in den Niederlanden. Schriftdesign bündelt alle meine Interessen. Ich male gern, beschäftige mich mit verschiedenen Sprachen und deren Geschichte."
Vor kurzem hat Krista eine Schrift vollendet, die auf dem Schaffen des französischen Buchdruckers Simon de Colines aus dem 16. Jahrhundert basiert. Die Schriftarten für die von ihm gedruckten Bücher entwarf er selbst. "Sein Werk diente mir als Grundlage. Die Geschichte ist eine wichtige Komponente des Designs. Um eine erfolgreiche Schrift zu entwickeln., muss man sich natürlich auch an den zeitgemäßen Kontext halten", meint die bulgarische Schriftdesignerin und weiter:
"Jede Schrift beeinflusst die Wahrnehmung", erklärt Krista Radoewa. "Viele Studien belegen, dass das einem Großteil der Menschen nicht bewusst ist. Bei ungeeigneter Schrift würde selbst die zuverlässigste Information zweifelhaft erscheinen. Und umgekehrt. Wenn wir eine Schrift verwenden, die autoritär erscheint, bekommt der Text viel mehr Gewicht."
Die meiste Arbeit erledigt die Schriftdesignerin allein. Häufig trifft sie sich mit ihren Kollegen aus der Schriftboutique Fontsmith, um Details zu erörtern und sich auszutauschen. Im Mai leitete Krista Im Rahmen des Typofests 2016 in Sofia und Plowdiw den Workshop "Besseres Lettering". Dabei führten sie und ihre Kollegin Maria Doreuli die Teilnehmer in die Grundlagen des Letterings ein.
"Lettering ist eine spezielle Kombination aus Buchstaben. Man kann das in etwa mit einer Aufschrift vergleichen, die einen bestimmten Zweck erfüllen soll", erklärt Krista. "Häufig vergreift man sich bei der Schrift. Beim Lettering dagegen kann jeder Buchstabe eines Wortes anders aussehen, wogegen bei der Schrift die Buchstaben immer gleich sind. Das Lettering ist eine Mischung zwischen Kaligrafie und Schriftdesign. Meine Kollegin und ich greifen darauf zurück, weil wir der Ansicht sind, dass es Studenten hilft, ihr Wissen über die Konstruktion der Buchstaben zu erweitern. Lettering ist in unserem Alltag allgegenwärtig - auf Einbänden, Plakaten, T-Shirts..."
Krista hat sich in die kürzlich fertiggestellte Schrift FS Siena eingebracht. Die Idee stammt von Fontsmith-Gründer Jason Smith, der bereits als Student seine ersten Buchstaben skizzierte. Sein Ziel ist eine elegante Schrift, inspiriert von den Proportionen der klassischen römischen Buchstaben, und gleichzeitig modern. Als Krista sich Fontsmith anschließt, überlässt er ihr all seine Entwürfe. In den ersten Monaten tüfteln sie jeden Tag an den einzelnen Details. Die Endfassung legt Fontsmith-Gründer Jason Smith in Kristas Hände. Da sie an vielen Projekten gleichzeitig arbeitet, brauchte sie knapp ein Jahr, um FS Siena zu vollenden.
Im September plant Krista einen Kaligrafie- und Schrift-Workshop in Sofia. Immerhin seien die Buchstaben ein ständiger Begleiter unseres Alltags, meint die Schriftdesignerin Krista Radoewa.
Übersetzung: Christine Christov
Fotos: Privatarchiv
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