Am Freitag reiste der bulgarische Ministerpräsident Bojko Borissow nach Istanbul, um den Regierungschef der benachbarten Türkei, Binali Yıldırım, zu treffen. Im Mittelpunkt standen die Beziehungen der Türkei mit der Europäischen Union und die Flüchtlingskrise. Borissow und Yıldırım zeigten sich einig in der Forderung nach Einhaltung bereits eingegangener Verpflichtungen und Solidarität bei der Überwindung der Schwierigkeiten.
Einen Tag später führte Borissows Verhandlungsmarathon nach Meseberg bei Berlin, wo sich der bulgarische Ministerpräsident zu den gleichen Themen mit Bundeskanzlerin Merkel und den Regierungschefs aus Österreich, Slowenien und Kroatien beriet. In Bulgarien hat man diese Unterredungen sehr aufmerksam verfolgt, da man vermutet, dass Borissow die Vermittlung zwischen der Türkei und der Europäischen Union schultern möchte. Mehr noch – der bulgarische Premier erlaubte sich ziemlich deutliche, ja höhnische Kommentare in Richtung Brüssel. Borissow dementierte nicht – er habe sich unweigerlich in der Rolle des Mediators wiedergefunden.
Die erste scharfe Reaktion auf die Verhandlungstaktik des bulgarischen Ministerpräsidenten kam aus den Reihen des Koalitionspartners im Kabinett. Radan Kanew, Ko-Vorsitzender des Reformblocks, kommentierte sarkastisch, Borissow habe bei seinem „Verhandlungspendeln“ weder „den Auftrag des Sultans erledigen“ noch das bulgarische Interesse vor Merkel schützen können, dafür aber habe er ungeschickt versucht, „Wahlkampfpopulismus und Unwissen in der internationalen Diplomatie“ miteinander zu koppeln.
Der politische Beobachter Ilian Wassilew kommentierte, Borissows Vermittlungsversuch sei zwar edel, aber auch sehr schwierig, denn diese Aufgabe erfordere diplomatisches Geschick, berge aber die Gefahr, dass „der Vermittler die Nachteile aus dem Konflikt einsteckt und als Sicherung durchbrennt“.
Die Absichten des bulgarischen Ministerpräsidenten waren nicht ganz mediatorisch. Sein türkischer Amtskollege Yıldırım versicherte in Istanbul, die Türkei werde alles daran setzen, um den Migrationsdruck auf Bulgarien zu mildern. In Berlin sagte Bundeskanzlerin Merkel erneut die Unterstützung Deutschlands bei der Überwachung der bulgarisch-türkischen Grenze zu. Im Schloss Meseberg forderte Borissow die EU erneut zu mehr Solidarität auf, und trotz der Dementis aus Brüssel bestätigte er indirekt, dass jedes EU-Land derzeit „panisch“ und im Alleingang versucht, der Flüchtlingskrise aus dem Weg zu gehen.
Nun, hinter Borissows jüngster EU-Kritik in einem deutlich verschärften Ton sickert ganz sicher auch eine Wahlkampfansage durch. Im November wählt Bulgarien seinen neuen Staatspräsidenten. In einer schwierigen politischen Situation sichert er sich durch eine gemäßigte Haltung zur Türkei die Stimmen der türkischen Minderheit in Bulgarien. Zugleich aber findet der neue Borissow-Kurs Gefallen auch unter den immer mehr werdenden EU-Kritikern im Land. Ähnliche Gründe stecken auch hinter dem ebenfalls abgefederten Kurs des Ministerpräsidenten Borissow gegenüber Russland. Worauf sich Borissow nun genau vorbereitet, ist schwer vorauszusagen, aber er weiß auch nur zugute, dass politische Kurswechsel nicht nach Präsidentschafts-, sondern nach Parlamentswahlen eingeschlagen werden.
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