Die heimische Politik hat sich in eine Show verwandelt, aber keine amüsante, sondern bizarre. In dieser Woche gab es große Aufregung rund um Äußerungen bulgarischer Spitzenpolitiker. Als erster geriet Ministerpräsident Borissow aus den Fugen, als er sein buntes Kabinett zusammenrief und die Minister in so einer Art und Weise fertig machte, die viel mehr an einer Aussprache zwischen verfeindeten Eheleuten erinnerte, als zwischen Koalitionspartnern. Der Regierungschef hat es wohl ernst gemeint, als er androhte, der konservative Reformblock solle doch bitte endlich entscheiden, ob er der Regierung angehört oder in die Opposition gehen will. Der Stärkere in dieser Beziehung drohte der Reformblock-Bildungsministerin tatsächlich an, die absichtlich während des Wahlkampfes verkündete Gehaltserhöhung für die Lehrer rückgängig zu machen.
Grund für den Ausrutscher des Ministerpräsidenten gibt es genug – so ist eine der fünf Parteien im Reformblock seit einem Jahr angeblich in der Opposition, hat aber einen Minister im Kabinett sitzen. Nach der verbalen Attacke des Regierungschefs haben die Reformblockminister gegenüber Journalisten ein sehr unterwürfiges Bild abgeliefert und sich für ihre Untreue beinah wörtlich entschuldig.
Genau das wiederum brachte den Vorsitzenden der bereits genannten oppositionell regierenden Kleinstpartei auf die Palme, als er im zweiten verbalen Fauxpas der Woche den Ministerpräsidenten bei einem Liveinterview im Frühstücksfernsehen zynisch beschimpft hat. Danach rollte eine Welle von Kommentaren und Mutmaßungen, warum er seine Nerven verloren hat, ob er sich nun entschuldigen wird und was das alles für den Ausgang der Präsidentschaftswahlen im November bedeutet.
In der Tat – die bulgarischen Wähler stehen vor größten Herausforderungen nach dieser Wortwahl ihrer Spitzenpolitiker. Im Büro, in der Straßenbahn und am Esstisch diskutiert man eifrig, wer welches Vokabular benutzt, wie er dabei geguckt hat und was er dann auf Facebook gepostet hat. Bei mehr als einеm Drittel Wahlberechtigten, die noch nicht entschieden haben, ob und wen sie wählen werden, würde der gesunde Menschenverstand eine politische Debatte über Inhalte erwarten. Stattdessen konzentriert man sich auf den Klatsch und Tratsch. Das füllt die Boulevardzeitungen – soweit so gut, dafür sind sie ja auch da. Das füllt aber auch die ernstzunehmenden Zeitungen, weil die politische Debatte über Inhalte fehlt. Man kommentiert lieber ein sexy Foto der Parlamentspräsidentin und aktuellen Anwärterin für den höchsten Posten im Lande, als dass man sich in ihren politischen Botschaften vertieft. Die privaten Medien leben von der Quote. Klar, dass sie lieber auf den Klatsch eingehen, als sich in langweiligen Debatten zu vertiefen. Je öfter man die Schimpfworte des Spitzenpolitikers wiederholt, umso mehr Menschen schauen sich das an und umso mehr Werbungsgelder fließen. Wirklich Sorgen machen sollte der Umstand, dass die politische Debatte über Inhalte und Programme nicht zum ersten Mal in einem Wahlkampf im Hintergrund bleibt und man sich auf der Oberfläche bewegt.
Das ist zum Teil auch so gewollt. Es ist nämlich ungewollt, über die Bankenpleite aus dem letzten Jahr zu sprechen, die Bulgarien Schulden in Milliardenhöhe gebracht hat und die Steuerzahler sie nun zu zahlen haben. Ungewollt ist, dass man über die Arbeits- und Aussichtslosigkeit in weiten Teilen des Landes spricht, oder über den Fachkräftemangel wegen der andauernden Massenauswanderung junger Menschen und des maroden Bildungssystems. Ungewollt ist, dass man sich fragt, was aus den so lautstark proklamierten Reformen geworden ist. Es ist aber auch gewollt, dass Politiker aus der rechten Ecke mit einer angeblichen Flüchtlingskrise in Bulgarien Ängste schüren. Das Flüchtlingsthema ist eine große Rauchbombe, die nur Stimmen bringt. Denn ein alter Grundsatz in der Politik besagt: schaff dir ein Feindbild und stelle dich als Lösung des Problems dar – das bringt dir garantiert Erfolg.
Das Gefühl, dass die Politik an Bedeutung verliert, dass von den Bürgern nichts abhängt, breitet sich aus, und so erscheinen auch die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen als bedeutungslos, was sich unweigerlich auf die Wahlbeteiligung, aber auch auf die Legitimität des nächsten bulgarischen Staatsoberhaupts auswirken wird.
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