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Aufklärer in Not

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Der Protestmarsch der Akademiker aus dieser Woche wird keine einmalige Aktion bleiben.
Foto: BGNES

Ein früherer Finanzminister Bulgariens hatte sich mal erlaubt, die Akademiker in Bulgarien als "alte Knacker" zu bezeichnen, die in der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften "herumsitzen" und nur darauf bedacht sind, ihre monatlichen Gehälter einzustecken. Es ist jener Finanzminister, der mit seiner "Fasten-Pizza", also Staatshaushalt, in die Geschichte eingegangen ist. Diese "Fasten-Pizza" wiederum zeichnete sich durch rigorose Ausgabenkürzungen aus, darunter besonders drastisch im Kostenpunkt Wissenschaft und Forschung. Denn ginge es nach ihm, sei die Wissenschaft in Krisenzeiten gar nicht so wichtig. Sieben Jahre später steht fest, dass sich an der Haltung der heimischen Politelite nichts geändert hat.

Der Haushaltsentwurf für 2017 passierte in dieser Woche den Finanz- und Haushaltsausschuss des Parlaments. Darin sind um 2,5 Millionen Euro mehr für die Bulgarische Akademie der Wissenschaften vorgesehen. Insgesamt belaufen sich die Staatsgelder für die Akademiker auf 40 Millionen Euro. Man braucht keinen Finanzfachmann zu sein, und auch kein Wissenschaftler, um zu wissen, dass man mit 40 Millionen Euro keine Wissenschaft entwickeln kann. Angesichts der trockenen Zahlen löst sich die Beteuerung der Regierung, die Bildung sei eine ihrer Prioritäten, schnell in Luft auf. Die konkreten Zahlen im Etatentwurf für das kommende Jahr wurden just am Vorabend des 1. November bekannt, wenn Bulgarien seine Aufklärer ehrt. Den Tag nutzten die Akademiker aus, um in der Sofioter Innenstadt zu einem stillen Protest gegen den chronischen Geldmangel für Wissenschaft und Forschung zusammenzufinden. Ihnen zufolge ist der Haushaltsentwurf für die Bulgarische Akademie der Wissenschaften das bittere Ende. Sie untermauerten ihre traurige Feststellung mit Zahlen. Prof. Latschesar Awramow, der das Elektronikinstitut an der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften leitet, hat ausgerechnet, dass die 40 Millionen Euro im nächsten Jahr gerade mal 85 Prozent der Gehaltskosten decken. Das liegt nicht etwa an den hohen Gehältern. Ganz im Gegenteil. Der Durchschnitt liegt nämlich bei lappige 350 Euro im Monat, während der gesetzliche Mindestlohn ab Januar 230 Euro betragen wird. In diesem Punkt entfernt sich Bulgarien in rasantem Tempo von dem europäischen Durchschnitt. Es geht bergab. Das gilt übrigens generell für die Einkommen im ärmsten EU-Land. Das Durchschnittsalter in der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften liegt bei 49 Jahren. Akademiepräsident Stefan Wodenitscharow hat auch eine simple Erklärung dafür: die miserablen Gehälter verjagen die jungen Forscher.

Zugleich hat Bulgarien ein Strategiepapier verabschiedet, das den stolzen Titel trägt: "Nationales Reformprogramm" und die bulgarische Antwort auf die Strategie Europa 2020 ist. Darin verpflichtet sich Bulgarien, bis 2020 1,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts für Wissenschaft und Innovationen bereitzustellen. Drei Jahre vor dem Enddatum ist Bulgarien von diesem Ziel weit entfernt. Mehr noch – das Land rutscht in allen internationalen Wertungen der Wettbewerbsfähigkeit ab. Führende ausländische Wissenschaftler behaupten nämlich seit Jahren, dass sich die Wirtschaftsgrundlage in der modernen Welt verändert und zu den Wettbewerbsvorteilen nicht mehr die traditionellen Klima und Bodenschätze gehören, sondern das angeeignete Wissen an Universitäten und Hochschulen im jeweiligen Land. Das versteht man unter wissensbasierter Wirtschaft. Dieses Konzept liegt auch der Lissabon-Strategie der EU zu Grunde. Die bulgarischen Wissenschaftler sehen sich gezwungen, zuzusehen, wie Bulgarien gegen die Strömung schwimmt. Eine für jedermann erkennbare Folge der verachtenden Behandlung der Wissenschaft in Bulgarien ist die Massenauswanderung junger Menschen. "Bulgarien hat sich in ein Brutkasten für gut ausgebildete junge Menschen verwandelt, die in Bulgarien ausgebildet werden, deren Ausbildung vom Staat und der eigenen Familie finanziert wird, um sie anschließend an andere Länder zu verlieren, wo sie zum Mehrwert und Prosperität der fremden Wirtschaft beitragen", resigniert Prof. Awramow.

Der Protestmarsch der Akademiker aus dieser Woche wird keine einmalige Aktion bleiben. Am 10. November, wenn sich die politische Wende in Bulgarien zum 27. Mal jähren wird, wollen sie auf dem Alexander-Newski-Platz in Sofia eine Vollversammlung der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften abhalten. Sie hoffen, dass sich 5-6 Tausend Menschen versammeln, um die Probleme der Wissenschaft in Bulgarien zu erörtern, einschließlich ihrer Finanzierung. Eingeladen sind auch Ehrengäste: Ministerpräsident Borissow, Bildungsministerin Kunewa und Vizepremier Dontschew. Letztere sind Mitglieder des Aufsichtsrats der Akademie. Als solche sind sie verpflichtet, die Interessen der Wissenschaftler zu vertreten und die effektive Arbeit der Akademie zu gewährleisten. Jedes Gespräch macht Sinn, so auch dieses. Aber heute schon steht fest: Änderungen im Haushalt wird es keine geben.



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