In der ausgehenden Woche ist die Rundreise von EU-Ratspräsident Donald Tusk durch Slowenien, Mazedonien, Bulgarien und Griechenland zu Ende gegangen. In seinen Botschaften ging es um die EU-Erweiterung nach dem Brexit, die Rettung Griechenlands vor der Pleite als auch um das neue "europäische Projekt", wie man diplomatisch den künftigen Übergang zur Gemeinschaft der zwei oder mehr Geschwindigkeiten zu bezeichnen pflegt, d.h. der EU-Staaten "erster und zweiter Klasse". Vor allem ging es jedoch um die Botschaft, wie Brüssel den Balkanstaaten bei der Schließung der s.g. Balkanroute durch den Vertrag mit der Türkei gekonnt und effizient geholfen habe.
In Sofia wurde Tusk von Staatspräsident Rumen Radew empfangen. Nach einem vertraulichen Gespräch folgte ein gemeinsames Briefing. Der EU-Ratspräsident begann mit lobenden Worten: "Bulgarien ist das beste Beispiel für den Schutz der EU-Außengrenzen, einschließlich an der Grenze zur Türkei." Sofia sei nur einen Schritt von der Schengenvollmitgliedschaft entfernt und wenn es man ihn fragen würde, sei er für den Schengen-Beitritt, aber es gäbe ja noch Mitgliedsstaaten, die dagegen seien, fügte Tusk in diesem Zusammenhang hinzu. Dieses Klischee mit verschiedenen Argumenten bekommen wir seit Jahren zu hören, jedes Mal wenn ein hochrangiger EU-Beamter nach Sofia kommt.
Ein anderes Klischee, das wir aus dem Mund von Tusk vernehmen konnten, war, dass die EU nicht nur Fonds und Programme sei, sondern gemeinsame Werte, politische Solidarität und Würde teile. Immerhin gestand er ein, dass ihm die schwere finanzielle Last des Schutzes der Grenze zur Türkei für das bulgarische Budget durchaus bewusst sei und erklärte, im Fall von Flüchtlingskrisen sei die EU zu finanziellen Soforthilfen für Bulgarien bereit. Ein weiteres Versprechen, das verdeutlicht, dass die Fonds über allem stehen. Bis dahin muss Bulgarien jedoch weitere seine eigenen Gelder verausgaben, nachdem es die vor geraumer Zeit von Brüssel bewilligte symbolische Finanzhilfe längst aufgebraucht ist.
Staatspräsident Rumen Radew brachte es lakonisch auf den Punkt: "Die Sicherheit der EU-Bürger beginnt mit der Sicherheit der bulgarischen Grenze." Das Staatsoberhaupt forderte die Verabschiedung eines finanziell abgesicherten gemeinschaftlichen Aktionsplans zum Schutz der bulgarischen Grenze bei massivem Flüchtlingsandrang. Zudem gab er seinem Gast zu verstehen, dass Sofia "ausgesprochen viel an gutnachbarschaftlichen Beziehungen mit der Türkei liegt." Andererseits stellten die zunehmenden Spannungen zwischen der EU und der Türkei gerade für Bulgarien das größte Risiko dar." Die Antwort von Tusk wurde "a la Pontius Pilatus" definiert: "Die EU hält sich an ihre Vertragsverpflichtungen (d.h. lässt Milliarden in die türkische Staatskasse fließen) und erwartet das Gleiche von der Türkei (d.h. Millionen Flüchtlinge in Lagern auf ihrem Landesgebiet festzuhalten).
Geht die Rechnung der EU auf? Oder hat sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht? In wenigen Tagen wird das Referendum in der Türkei Redjeb Erdogan vermutlich mit unbegrenzter Macht ausstatten. Dann könnte der "neue Sultan" des Nachbarlandes eines schönen Tages unter dem ein oder anderen Vorwand beispielsweise Hunderttausend Flüchtlinge in Richtung Westeuropa lassen. Dem würden die Drahtzäune an der bulgarischen Grenze mit der Türkei nicht standhalten. Sie würden einfach umgerissen. Da frage ich mich doch, wie und wann in diesem Fall die von Brüssel in Aussicht gestellten Mittel Sofia noch helfen würden? Wie und wann helfen die berühmten "geteilten Werte, politische Solidarität und Würde?"
Wäre es nicht besser gewesen, mit diesen Geldern vor Ort Lager für Flüchtlinge zu errichten anstatt der Türkei Milliarden zu zahlen? Von Tusk haben wir in Sofia in dieser Angelegenheit weder ein Für noch ein Wider vernommen.
Übersetzung: Christine Christov
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