Am ersten Tag der neuen Arbeitswoche reihen die bulgarischen Medien die Ergebnisse der Bundestagswahl in Deutschland unter die „Breaking News“. Die Tageszeitung „Dnewnik“ titelt „Merkel erzielt historischen Wahlsieg“. „Sega“ relativiert: „Angela Merkel hat gewonnen, aber eine Million Wähler verloren“. Die Tageszeitung „Trud“ wiederum kommentiert, dass die Union aus CDU und CSU der große Gewinner und Verlierer in einem ist. Denn sie hat bei der gestrigen Bundestagswahl zwar die meisten Stimmen gewonnen, zugleich aber im Vergleich zu 2013 herbe Verluste hinnehmen müssen, da sie nur 33 Prozent der Wähler von sich überzeugen konnte – um 8,7 weniger als bei den letzten Wahlen vor vier Jahren. Das ist das schlechteste Wahlergebnis der Union seit 1949.
In einem Interview für den bulgarischen Fernsehsender BNT räumte der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bulgarien Herbert Salber ein, dass das Votum eine überraschende Entwicklung hatte und die Parteien aus der bisherigen Koalition Stimmen eingebüßt haben. Er erwarte deswegen jedoch keine Wende in der Politik Deutschlands gegenüber Bulgarien. Seine Exzellenz zeigte sich zuversichtlich, dass Sofia und Berlin ihre bilaterale Zusammenarbeit weiter ausbauen werden, nicht zuletzt auch im Kontext der anstehenden EU-Ratspräsidentschaft Bulgariens.
Am Montagmorgen gab es noch keine offiziellen Reaktionen seitens der Institutionen in Bulgarien, doch hat Premier Bojko Borissow auf Twitter Angela Merkel begrüßt und gepostet, ihr Wahlsieg bedeute, das „Europa stark und einig bleibt“. Premier Borissow hat zudem versichert, dass sich Angela Merkel an der Spitze der größten politischen Kraft in Deutschland auch künftig auf Bulgarien als Freund und strategischen Partner in der EU und der NATO verlassen kann.
Bereits die ersten Reaktionen in Sofia zeugen von der großen Bedeutung, die die Bulgaren der Entwicklung der Lage in Deutschland beimessen. Deutschland ist der wichtigste Partner Bulgariens in der EU. Zusätzliches Gewicht gewinnt dieser Umstand am Vorabend der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft 2018. Die Ergebnisse der jüngsten Bundestagswahl in Deutschland bedeuten, dass Bulgarien während seiner EU-Ratspräsidentschaft eine Koalition mit Angela Merkel an der Spitze als Partner haben wird. Selbige hat Anfang Juni dem bulgarischen Ministerpräsidenten Bojko Borissow versichert, dass die Absichten der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft mit den Plänen Berlins korrespondieren und von Deutschland unterstützt werden. Selbige hat das starke Engagement Bulgariens beim Schutz der EU-Außengrenze mit der Türkei und seine Bemühungen bei der Bekämpfung von Menschenschmuggel und illegaler Migration anerkannt. Ähnliche Äußerungen machte die Bundeskanzlerin auch während ihres Treffens mit Staatspräsident Rumen Radew im Rahmen seiner ersten Visite in Deutschland Anfang 2017. Damals hat Angela Merkel bekräftigt, dass Berlin auf eine allseitige Entwicklung der bilateralen Beziehungen setzt.
Letzten Endes bedeuten die jüngsten politischen Ereignisse in Deutschland, dass Sofia sich bei der Arbeit mit Berlin nicht sonderlich umzustellen braucht. Bei ihren diesjährigen Zusammenkünften mit bulgarischen Führungspolitikern hatte Angela Merkel aber nicht nur Worte des Lobes übrig, sondern hat auch Empfehlungen gemacht, die zeigen, dass Berlin auch kritische Bemerkungen an Sofia hat. Bundeskanzlerin Merkel hat von Bulgarien beispielsweise entschieden weitere Schritte bei der Bekämpfung von Menschenschmuggel und Korruption und die Errichtung eines Rechtsstaats gefordert. All das bedeutet, dass Bulgarien in der Gestalt von Angela Merkel, die ihre vierte Amtszeit als Bundeskanzlerin antritt, nicht nur einen vertrauten und berechenbaren, sondern zugleich auch einen anspruchsvollen Partner hat.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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