In Albanien geriet die soziale und wirtschaftliche Situation zwischen 1990-1991 außer Kontrolle von Partei und Staat, ähnlich wie zuvor in Bulgarien und den anderen Ostblockstaaten. Die Albaner stürmten die Grenzen und machten sich auf den Weg ins benachbarte Italien und Griechenland, um dort das Paradies zu suchen. Die Kommunisten, die 47 Jahre lang das Volk mit Gewalt regiert hatten, konnten das Ruder der Macht zwar nicht mehr halten, kontrollieren aber nach wie vor die politischen Prozesse. Die neuen „demokratischen“ Parteien wurden auf ihren Schreibtischen kreiert. Den ersten pluralistischen Wahlen 1991 gingen stürmische und emotionsreiche Ereignisse voraus – Schiffe voller Emigranten, die Kurs auf Italien nahmen, die Studentenbewegung, die Gründung der Demokratischen Partei, die antikommunistischen Gewerkschaftsbewegung, landesweite Proteste. Zeuge dieser Aufbruchsstimmung wird jeder Besucher der Ausstellung des griechischen Fotografen John Demos „Albanien an der der Schwelle der Veränderung 1990-1991“, die bis zum 11. November in der Galerie SYNTHESIS in Sofia besichtigt werden kann.
John Demos ist einer der herausragenden griechischen Fotografen, Absolvent der University of Chicago, der jahrelang in seiner Heimat darstellende Kunst, Philosophie und Fotografie gelehrt hat. Seine Fotografien sind Teil von Sammlungen großer Museen und Fotogalerien in Paris, Chicago, London, Lissabon und Tokio. Für das bulgarische Publikum ist John Demos kein Unbekannter. 2014 wurde in der Galerie SYNTHESIS eines seiner größten Projekte präsentiert – „Schatten des Schweigens“.
In der gegenwärtigen Ausstellung “Albanien an der Schwelle der Veränderung 1990-1991“ lösen Bilder mit den bedeutsamsten Ereignissen während der schicksalhaften politischen Wende, Straßenszenen, menschliche Tragödien, Gesichter und Alltagsszenen ab. Beim Betrachten entdecken wir das, was John Demos von vielen anderen Fotografen unterschiedet – das exakte Gespür für die Distanz, dafür was angemessen ist und was nicht, das Verständnis, dass der Fotograf nicht alles und um jeden Preis zeigt.
Demos hat das Talent und die Gabe, Vertrauen zu gewinnen. Wie er selbst zugab, war er in vielen Situationen ebenso berührt wie die Menschen, die er fotografiert hat und die sein tiefes Mitgefühl bemerkt haben. „Manchmal ist es ein Fehler, zu viel zu zeigen“, sagt er. „Man muss akzeptieren, was die Leute wollen, dass es gesehen wird und was nicht.“
Unabhängig wen oder was er fotografiert, findet John Demos den genauen Blickwinkel, jenen Winkel, der viel mehr aufdeckt als das konkrete Ereignis und der uns weitab des Sichtbaren, zu den Seelen seiner Helden führt. Das Betrachten seiner Fotografien lässt Emotionen aufkommen, denen sich der Betrachter bereit zu ergeben ist.
Das hat auch der albanische Schriftsteller Ismail Kadare 2008 feststellen können, als er die Ausstellung „Albanien an der Schwelle der Veränderung 1990-1991“ gesehen hat.
„John hat mir ein anderes seiner Alben mit Fotos aus anderen Ländern gezeigt, darunter auch aus Griechenland – mit der gleichen Stilistik, der gleichen groben Unnachgiebigkeit im Ausdruck der Menschen und ich muss zugeben, dass die Griechen in seinen Porträts nicht nur düsterer als die Albaner dreinschauen, sondern mehr Müdigkeit und Hoffnungslosigkeit ausdrücken. Das überzeugt mich. Ich glaube dem Menschen John Demos, dem Fotografen John Demos.“
Übersetzung: Georgetta Janewa
Fotos: bereitgestellt von der Galerie SYNTHESIS
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