Die Archäologie wird häufig mit der Entdeckung von Schätzen, Goldgegenständen und Kleinodien in Verbindung gebracht. Doch diese Schätze können durchaus auch ganz gewöhnliche Alltagsgegenstände sein, die über das Leben der Menschen in vergangenen Epochen, ihre Probleme, Freuden, Tugenden und Schwächen Auskunft geben. Über all das erzählen auch die Entdeckungen der bulgarischen Archäologen im zu Ende gehenden Jahr. Die Experten stufen es als ein interessantes, jedoch nicht außergewöhnliches Jahr ein.
„Wenn man sich den Reichtum des kultur-historischen Erbes unseres Landes vor Augen führt, fallen die Ergebnisse nicht aus dem Rahmen der gewohnten Funde. Mit Sicherheit kann man jedoch einige wichtige Forschungsarbeiten hervorheben, die unbedingt erwähnt werden müssen“, sagte uns Dozent Christo Popow, Direktor des Nationalen archäologischen Instituts und Museums der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften.
Zu den sowohl für die Kenner, als auch für das breite Publikum attraktivsten Funden des Jahres ist der Schatz zu zählen, der im August in Kaliakra am Schwarzen Meer ans Tageslicht kam (siehe Foto unten).
Diese mittelalterliche Stadt war Ende des 14. Jahrhunderts die Hauptstadt des Despotats Dobrudscha. Zum Schatz gehören 957 Gegenstände – Gold- und Silbermünzen, goldene Ohrringe, Gürtelschnallen u.a. Sie entstammen verschiedenen Kulturkreisen – dem bulgarischen, byzantinischen und osmanischen. Es wird angenommen, dass der Schatz eine Beute tatarischer Plünderer gewesen ist. Sie haben ihn in der Eile in einem der Häuser vergraben, das in diesem Jahr näher erforscht wurde.
„Ausgehend von der Urgeschichte über die Antike bis zum Mittelalter muss man die langjährigen Forschungsarbeiten im Gebiet der Salinen in Prowadija und des dortigen Siedlungshügels (siehe Foto unten) anführen“, setzt Dozent Popow fort.
„Die Ausgrabungen waren nicht nur erfolgreich, auch wird an einer Aufbereitung der Anlage für Besucher gearbeitet.“ Die Salinen-Siedlung entstand vor mehr als 6.500 Jahren. Dort kamen übrigens die europaweit ältesten Gegenstände aus Gold ans Tageslicht. Die Forschungsarbeiten konzentrierten sich in diesem Jahr auf die Wehranlagen, die die Bewohner vor Eindringlingen schützten. Dank des Salzhandels hatten sie Reichtümer angehäuft, die zur Zielscheibe von Räubern wurden.
Eine andere wichtige urgeschichtliche Ausgrabungsstätte ist laut Dozent Popow die frühsteinzeitliche Siedlung, die sich auf dem Gebiet des Sofioter Stadtviertels Slatina befindet. Sie stammt aus dem 7. Jahrtausend vor Christus und wurde von den ersten Siedlern in der Sofioter Hochebene angelegt, die somit die Gründer der heutigen Hauptstadt Bulgariens waren. Ans Tageslicht kamen interessante Details von ihrem Alltagsleben, darunter ein ornamentiertes Keramikgefäß (siehe Foto unten) mit der symbolischen Darstellung der Gebärmutter der Muttergöttin.
Die in diesem Gefäß zubereitete Nahrung galt als Symbol der Schöpfung und des Übergangs zur zivilisierten Lebensweise.
Was die Zeit der Antike anbelangt, wurde im Jahr über mehrmals die Stadt „Heraclea Sintica“ in der Nähe der heutigen Stadt Petritsch in Südwestbulgarien erwähnt. „Entdeckt wurden schöne Statuen und schöne Architekturfragmente, die von der Agora der Stadt stammen“, bestätigt der Direktor des Nationalen archäologischen Instituts und Museums. Die Agora (lat. Forum) war der Hauptplatz – das Herz einer jeden antiken Stadt, der Mittelpunkt des politischen, kulturellen und Wirtschaftslebens. Zu den interessanten Funden gehören neben den ansehnlichen Statuen auch auf den ersten Blick unscheinbare kleine Münzen (siehe Fotos unten), die jedoch die Stadt selbst prägte.
Diese Münzen dienten nicht nur dem Handel, sondern galten auch als Prestige-Objekt und deuteten auf die Stellung von Heraclea Sintica im Vergleich zu den anderen antiken Städten in der Region hin. Ihre Bewohner konnten mit Recht auf die Stadtgeschichte stolz sein, denn gegründet wurde sie im 4. vorchristlichen Jahrhundert von Philipp II., Vater von Alexander des Großen. Daher benannte man sie nach Herkules, der als Schutzpatron dieses Herrschergeschlechts galt.
Und noch ein bemerkenswertes Ausgrabungsobjekt aus der Antike: „Apollonia Pontica, das heutige Sosopol an der südlichen bulgarischen Schwarzmeerküste, mit seiner Nekropole hatte auch in diesem Jahr Überraschungen für uns parat“, sagt Dozent Christo Popow. Ältere und ganz neue Funde wurden in Sofia auf einer großen Sonderausstellung (siehe Foto unten) vorgestellt, an der sich etliche regionale Geschichtsmuseen sowie das Nationale Geschichtsmuseum und der Louvre beteiligten.
Die Archäologie ist keine olympische Disziplin und es werden auch keine Punkte vergeben. Dementsprechend kann die Liste der wichtigsten Ausgrabungen des Jahres beliebig fortgesetzt werden. Dozent Popow ließ es sich nicht nehmen und erwähnte die antike römische Limesfestung an der Donau beim heutigen Swischtow, in der die „Legio VIII Augusta“ – die von Caesar aufgestellte gallische Legion, stationiert war. Ferner nannte der Archäologe die aus dem 5. Jahrhundert vor Christus stammende Festung nahe dem Dorf Rawadinowo bei Sosopol (siehe Foto unten).
Und noch ein Artefakt, diesmal aus dem Spätmittelalter: ein Enkolpion (Brustkreuz) mit einer Kreuzreliquie (siehe Fotos unten) wurde auf dem Trapesitza-Hügel der mittelalterlichen bulgarischen Reichshauptstadt Tarnowo entdeckt. Es stammt aus dem späten 12. Jahrhundert, ist aus Gold und zeichnet sich durch feinste Juwelierarbeit aus.
Während des Jahres wurden im Rahmen des internationalen Programms „Black Sea Map” die Unterwasseruntersuchungen fortgesetzt. Britische und bulgarische Archäologen stießen auf das älteste gut erhaltene Schiffswrack in der Welt (siehe Foto unten).
Es handelt sich um ein hölzernes griechisches Schiff, das vor 2.400 Jahren untergegangen ist.
In der Nähe der Insel „Hl. Thomas“ (siehe Foto unten) wurden wiederum bulgarische Unterwasserarchäologen fündig.
In antiker Zeit war es noch eine Halbinsel, von der Teile im Meer versunken sind. Nunmehr liegen die Überreste einer alten Festung, vermutlich noch aus thrakischer Zeit – aus dem 1. Jahrhundert vor Christus, unter dem Meeresspiegel.
Im November stellte das Nationale Institut für Archäologie „Gerettete Schätze aus Bulgarien“ aus. Die Ausstellung (siehe Foto unten) zeigte über 300 Exponate, die bei Polizeiaktionen sichergestellt und 19 verschiedenen Museen, einschließlich dem Nationalen Geschichtsmuseum, übergeben wurden.
„Ich freue mich, dass die Polizei über zunehmend mehr junge Mitarbeiter verfügt, die sehr gut arbeiten und den Schatzgräbern und Antikenschmugglern das Handwerk legen wollen“, sagte abschließend Dozent Christo Popow, Direktor des Nationalen archäologischen Instituts und Museums der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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