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2,5 Millionen Bulgaren leben im Ausland, 5.000 verlassen jährlich das Land

Foto: dnevnik.bg

Das bulgarische Außenministerium veröffentlichte unlängst Angaben über die sich im Ausland aufhaltenden bulgarischen Staatsbürger. Gezählt wurden rund 2.417.000 Personen, von denen etwas mehr als 1,5 Millionen in anderen Ländern der Europäischen Union leben. Allein in den letzten sieben Jahren haben ca. 400.000 Bulgaren ihre Heimat verlassen.

Wie setzt sich die Auswanderungszahl zusammen und wie wird sie berechnet? Wie viele Bulgaren leben tatsächlich jenseits der Landesgrenzen? Aus rein praktischer Sicht sind diese Fragen insbesondere für die Durchführung der Europawahlen im Mai dieses Jahres von Bedeutung. Das Berechnungsmodell, das die Migrationsprozesse erfassen soll, ist seinerseits nicht minder wichtig für die Durchführung der Volkszählung im Jahre 2021. Einen Blick jenseits der Statistik gewährte uns Dozent Spas Taschew vom Institut zur Erforschung der Bevölkerung und des Menschen an der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften. Seiner Ansicht nach waren die Wissenschaftler von den Angaben über die bulgarischen Staatsbürger im Ausland, die das Außenministerium veröffentlichte, stark überrascht.

Dozent Taschew umschreibt die Tendenzen folgendermaßen:

Der größte Bevölkerungsverlust wurde im Zeitraum 1985 bis 1992 registriert, was mit der massenweisen Auswanderung der bulgarischen Türken erklärt werden kann. In jener Periode verließen rund 66.000 Menschen jährlich das Land. Danach schrumpfte der Migrationssaldo stetig und erreichte 2013 ein Minimum von 1.100 Emigranten jährlich. Diese Periode war in Hinblick auf die Migration die beste. Auf dieser Grundlage wurde prognostiziert, dass sich nach 2015 bis etwa 2020 ein schwach positiver Migrationssaldo einstellen werde. Diese Prognosen haben sich jedoch leider nicht bewahrheitet. In den letzten zwei Jahren nehmen erneut die Auswanderungszahlen zu. Sie bewegen sich jedoch um die 4.500 Personen jährlich. D.h. wir können nicht von großen Bevölkerungsverlusten und einer Massenflucht aus Bulgarien reden, was die Zahlen des Außenministeriums suggerieren.“

Wie führt man Statistik und muss man die Bulgaren in anderen EU-Ländern als Emigranten einstufen, wo doch die Personenfreizügigkeit zu den Grundrechten gehört?

Das Problem besteht darin, dass wir in Bulgarien nicht über einen genauen Mechanismus zur Abrechnung der gegenwärtigen Migration besitzen“, sagt der Wissenschaftler. „Weltweit wird zuweilen die tägliche internationale Migration gemessen, weil es Menschen gibt, die tagtäglich ihre Heimat verlassen und abends wieder zurückkehren, da sie ganz einfach im nahen Ausland arbeiten. Ferner gibt es Wochen- und Saisonerfassungen. Aus statistischer Sicht wird eine Person als Emigrant eingestuft, wenn ihr Aufenthalt in einem fremden Land länger als ein Jahr ist. Gegenwärtig wird in der Statistik die Diskussion geführt, ob die Emigration im Rahmen der Europäischen Union als solche aufgefasst oder als „Arbeitsmobilität“ eingestuft werden soll. Man kann nur schwer sagen, ob es sich für Bulgarien um Bevölkerungsverluste handelt, weil viele darunter in ihre Heimat zurückkehren wollen.

Nicht einzig Bulgarien sieht sich vor einem demographischen Problem gestellt, sondern die gesamte Europäische Union. Trotz aller Widersprüche zwischen Westeuropa und den Ländern Mittel- und Osteuropas was die Aufnahme von Migranten betrifft, sollte nicht gemeinsam nach einer Lösung gesucht werden?

Im vergangenen Jahr wurde an der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften verstärkt an einem Projekt über die demographische Entwicklung im Land gearbeitet, in das die Suche nach Ressourcen zur Bewältigung der demographischen Krise mit einbezogen wurde. In der Vergangenheit deckte Westeuropa seinen Arbeitskräftebedarf durch Migration aus den Ländern Mittel- und Osteuropas. Das Arbeitskräftepotential dieser Region ist jedoch bereits erschöpft. Die einzigen Regionen, die über junge Arbeitskräfte verfügen, sind der Nahe Osten, Nord- und das Subsahara-Afrika, was bereits zu einer Veränderung des soziokulturellen Antlitzes Europas führt. Das schürt die Sorge in den betreffenden Ländern, ob auf diese Weise das demographische Problem gelöst werden kann.“

Laut Dozent Spas Taschew sei die demographische Krise nicht so sehr materiell bedingt und könne vielmehr auf einen Wandel der Wertevorstellungen der modernen Europäer zurückgeführt werden. Ein Schlüssel zur Lösung dieser Frage liege im Verhalten zu den Kindern.

In der Vergangenheit waren sie ein Arbeitskräftefaktor, besonders in den landwirtschaftlichen Regionen, während ihnen heute eine eher emotionelle Dimension zukommt. Wir müssen uns aber vor Augen halten, dass die Kinder auch eine wirtschaftliche Dimension besitzen, denn die Zahl der künftigen Arbeitskräfte wird die Höhe unserer Renten bestimmten. Daher denke ich, dass die Gesellschaft Europas daran interessiert sein muss, ihre Geburtenrate zu erhöhen, was den Erhalt der europäischen Werte sichern und ein stabileres soziales System garantieren werde.“

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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