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Neues Modell der Parteienfinanzierung zieht neue Trennlinien im politischen Leben

Unmittelbar nach den Europawahlen und rund drei Monate vor den Kommunalwahlen in diesem Herbst kam erneut die Idee zur radikalen Kürzung der Parteizuschüsse auf. Einen konkreten Anlass gab eine Überprüfung, die ergab, dass nicht nur die Parlamentsparteien, sondern auch im Parlament nicht vertretene politische Kräfte höhere staatliche Zuschüsse erhalten haben, als es das Gesetz vorsieht.

Das Finanzministerium veröffentlichte einen Bericht, laut dem nicht 11 Lewa (ca. 5,63 Euro), sondern 13 Lewa (ca. 6,65 Euro) pro Wählerstimme einkassiert worden sind, d.h. die GERB 5,7 Millionen Lewa (ca. 2,9 Mill. Euro), die Bulgarische Sozialistische Partei 4,3 Millionen Lewa (ca. 2,2 Mill. Euro) und die Bewegung für Rechte und Freiheiten 1,6 Millionen Lewa (ca. 0,8 Mill. Euro). Das Parlament beschloss, dass die unrechtmäßig erhaltenen Mittel bis Ende 2020 zurückgegeben werden müssen und leitete Schritte zur Senkung der staatlichen Parteizuschüsse ein.

Diese Idee war bereits im Juli 2015 vom Showman und TV-Moderator Slawi Trifonow lanciert worden, der eine Volksbefragung initiierte, in der er von über 2,5 Millionen Bürgern unterstützt wurde. Es waren jedoch 12.000 Stimmen zu wenig, damit das Referendum Gesetzeskraft erlangt und die Idee wurde fallengelassen.

2015 sprach sich die regierende GERB-Partei gegen diese Idee aus, änderte jedoch im Juni dieses Jahres ihre Haltung und erklärt sich mit der Bewegung für Rechte und Freiheiten einverstanden, dass die Parteien in uneingeschränktem Umfang von Privatunternehmen finanziert werden dürfen. Die oppositionelle Bulgarische Sozialistische Partei bezeichnete das als „Anschlag auf die grundlegenden Errungenschaften der Demokratie in Bulgarien“; einige Beobachter warnten, dass der Zeitpunkt zum Wechsel des Modells der Parteienfinanzierung denkbar ungeeignet sei.

Dennoch stimmte im Juli das Parlament mit den Stimmen der GERB, der Bewegung für Rechte und Freiheiten, „Attacke“ und „Wolja“ dem von der Regierung vorgeschlagenen Gesetzesentwurf zur Senkung der Parteizuschüsse noch in diesem Jahr von 11 Lewa (ca. 5,63 Euro) auf 1 Lew (ca. 50 Eurocent) pro Wählerstimme zu. Die Sozialisten waren zwar mit einer Senkung einverstanden, jedoch nicht derart drastisch, denn so würden ihrer Ansicht nach ausländische oder kriminelle Interessen in der Politik Eingang finden. Eine ähnliche Haltung nahmen die IMRO und die Nationale Front für die Rettung Bulgariens ein, die dem kleinen Koalitionspartner „Vereinigte Patrioten“ angehören. Die Opponenten meinen, dass die großen Wirtschaftssubjekte von den großen Parteien und vor allem den Parteien an der Macht kontrolliert und manipuliert werden.

Die Kontroversen zu diesem Thema zogen neue Trennlinien im politischen Laben Bulgariens. Den Wechsel des Modells der Parteienfinanzierung nahm die regierende GERB-Partei auf Vorschlag der oppositionellen Bewegung für Rechte und Freiheiten an. Mit den Veränderungen erklärte sich nur eine Partei des kleineren Koalitionspartners einverstanden, nämlich die nationalistische „Attacke“. Die IMRO und die Nationale Front für die Rettung Bulgariens erwiesen sich praktisch zusammen mit der Bulgarischen Sozialistischen Partei auf der anderen Seite der Barrikade.

Die Widersprüche übersprangen die Landesgrenzen, denn die Sozialisten sprachen sich gegen die Veränderungen in einem speziellen Schreiben aus, dass sie an die Europäische Kommission, dieOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die Parlamentarische Versammlung des Europarates, die Fraktion derProgressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, die Sozialdemokratische Partei Europas sowie an die Botschafter der EU-Länder und den USA in Bulgarien sandten.

Ihre Bedenken brachte ihrerseits auch die Nichtregierungsorganisation „Transparenz ohne Grenzen“ zum Ausdruck, die meinte, dass die Finanzierung der Parteien seitens der Geschäftswelt den Staat schwächen und negativen Erscheinungen das Tor öffnen werde.

Vor den Kommunalwahlen am 27. Oktober und 3. November sehen sich die Wähler in Bulgarien vor eine irritierende Veränderung gestellt. Vor drei Jahren konnte sie nicht nach den Regeln der direkten Demokratie und zwar Kraft der über 2,5 Millionen Ja-Stimmen der landesweiten Volksbefragung wirksam werden, sondern wird es heute mit 119 Stimmen von insgesamt 206 anwesenden Abgeordneten des Parlaments.

Es kann nur schwer eingeschätzt werden, wie sich das auf das Wahlergebnis im Herbst auswirken wird. Eines ist klar: die Wahlverlierer werden die Schuld für ihre Wahlschlappe auf die Gewinner abwälzen und ihnen Stimmenkauf vorwerfen.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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