Am Vorabend der erwarteten Einladung an Nordmazedonien zur Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen hat eine vom Bulgariens Staatspräsidenten Rumen Radew einberufene Konsultationssitzung auf höchster Ebene beschlossen, dringend eine nationale Position mit klaren Anforderungen zu erarbeiten, die Nordmazedonien im Laufe der EU-Beitrittsverhandlungen erfüllen muss, damit die nationalen Interessen Bulgariens nicht verletzt werden.
Der Staatspräsident betonte dabei, wie wichtig es sei, rote Linien zu ziehen, die sicherstellen sollen, dass die europäische Integration Nordmazedoniens nicht auf Kosten der bulgarischen Geschichte, Sprache und Identität erfolge. Grund für die Besorgtheit Sofias ist der mangelnde Fortschritt bei der Arbeit der gemischten Kommission für historische und Bildungsfragen zwischen Bulgarien und Nordmazedonien, die kraft des 2017 unterzeichneten Vertrags über gutnachbarschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern gegründet wurde.
Mit anderen Worten lautete die Botschaft dieser Konsultationssitzung auf höchster Ebene in Sofia, dass die Unterstützung Bulgariens für EU-Mitgliedschaft Nordmazedoniens nicht bedingungslos ist. Und eigentlich ist diese Haltung Bulgariens nicht von gestern.
Bereits 2009, während der ersten Regierung von Bojko Borissow /2009-2013/, hatte eine Aussage des damaligen mazedonischen Premiers Nikola Gruevski, die als Ausdruck territorialer Ansprüche auf Bulgarien gedeutet wurde, den bulgarischen Regierungschef dazu veranlasst, eine Botschaft an Skopje zu richten, in der er daran erinnerte, dass die Grundwerte der EU „ein Europa ohne Grenzen, ein Europa der Gutnachbarschaft, ein Europa, in dem die Probleme nicht mit solchen Aussagen, sondern mit Frieden, Verständnis und Toleranz gelöst werden“ sind.
Anfang 2015, während der zweiten Regierung von Bojko Borissow /2014-2016/, war Sofia noch kategorischer: Bulgarien wird die europäische und euroatlantische Integration Mazedoniens nur unter der Bedingung unterstützen, dass ein Vertrag über gutnachbarschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit unterzeichnet wird.
Die nach der Konsultationssitzung erklärte Position mag auch scharf klingen, ist aber eigentlich ziemlich gemäßigt und ausgeglichen. Bulgarien zieht seine Unterstützung für Nordmazedonien zur Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen nicht zurück, sondern es warnt nur, dass es bei Nichterfüllung seiner Anforderungen den Verhandlungsprozess bei Eröffnung und Abschließung jedes der insgesamt 35 Verhandlungskapitel blockieren könnte.
In der Tat befürwortet Sofia die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen nicht nur mit Nordmazedonien, aber auch mit Albanien – das zumindest lässt sich von der Aussage des Ministerpräsidenten Borissow verstehen, dessen Worte zufolge die beiden Balkanländer den Weg zur EU zusammen gehen sollten. Diese Anmerkung von Borissow zeigt eine Folgerichtigkeit in der Auffassung, dass die EU nicht nur einige, sondern alle Länder des westlichen Balkans integrieren muss. Angesichts der jüngsten Entwicklungen in Bezug auf die EU-Erweiterungspolitik verheißt die Anmerkung des bulgarischen Premierministers auch einen möglichen Widerstand Sofias gegen die Absicht der Niederlande, den Beginn der Beitrittsgespräche mit Albanien zu behindern.
Nur wenige Stunden nach der Konsultationssitzung auf höchster Ebene in Sofia erklärte der nordmazedonische Ministerpräsident Zoran Zaev, er akzeptiere Bulgariens Empfehlungen, damit aber die kontroversen historischen Fragen gelöst werden könnten, müsse auch Sofia guten Willen zeigen. Diese ausweichende Reaktion auf die scharfen Warnungen aus Sofia deutet darauf hin, dass die beiden Länder den Weg zur Überwindung der Widersprüche zwischen ihnen zurzeit nur umrissen, aber noch nicht angetreten haben. Und der auf der Konsultationssitzung beim Staatspräsident Radew erzielte Konsens zwischen den Spitzenpolitikern Bulgariens über diese Frage zeigt deutlich, dass Sofia nicht bereit ist, seine Forderungen zurückzuziehen.
Übersetzung: Mihail Dimitrov
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