Die politische Herbst-Saison in Bulgarien wurde am 2. September mit einer Sitzung des bulgarischen Parlaments, Antiregierungsprotesten und einem starken Polizeiaufgebot eröffnet. Eine Großdemo der unzufriedenen Bürger, die den Rücktritt von Regierung und Generalstaatsanwalt fordern, fand vor dem Parlamentsgebäude in Sofia unter dem Motto „Großer Volksaufstand“ statt. Die Spannung eskalierte, es kam zu Zusammenstößen, Körperverletzungen und Festnahmen.
Protestierende vereint der Wunsch nach Veränderung
Die Menschen auf dem hauptstädtischen Platz am sogenannten „Machtdreieck“ gehörten allen Altersgruppen an. Es vereinte sie der Wunsch nach einer Änderung des Status quo in der Leitung des Landes. Hier einige Meinungen protestierender Bürger, die sie gegenüber Radio Bulgarien äußerten:
Laut Deja Jordanowa seien die Menschen vor allem wegen der inkompetenten Leitung des Landes, der Korruption und der scheingebildeten Politiker aufgebracht.
„Es ist ein Wandel notwendig“, meint sie. „Ich denke, dass 56 Tage der Proteste eine zureichend lange Zeit sind, damit die Regierenden begreifen, dass sie den Platz neuen Menschen mit neuen Ideen räumen müssen. Es kann nicht sein, dass es keine Alternative zu einer derart ungebildeten, korrumpierten und arroganten Leitung gibt. Falls wir uns damit abfinden sollten, dass es nichts anderes gibt, bedeutet das, dass wir uns ergeben haben.“
Regierung kann dem Land nichts mehr geben
Die aufgebrachten Bürger sind sich einig, dass die Macht endgültig diskreditiert sei - national, wie auch international.
„Diese Regierung hat ihre Möglichkeiten ausgeschöpft“, meint ein Bürger, der sich mit dem Namen Martschew vorstellt. „Sie können unmöglich die ganze Nation mit Ideen über eine neue Verfassung und einen Neustart belügen. Diese Leute können dem Land nichts mehr geben. Sie versuchen nun nur noch an der Macht zu bleiben.“
„Wir wollen nicht, dass sie die Verfassung schreiben“, empört sich Methodi Christow. „Sie haben ihre Rolle gehabt, haben das Land beraubt und verkauft.“
Der neben ihm stehende ältere Herr – Dr.-Ing. Rajtschinow, ist ebenfalls empört über die heruntergewirtschafteten Produktionen, die seinen Worten nach, Bulgarien in wirtschaftlicher Sicht einst aufgewertet haben.
„Ich bin Doktor der Ingenieurwissenschaften und es tut mir in der Seele weh, wenn ich all den Zerfall sehe“, sagt er Radio Bulgarien gegenüber. „Ich habe in einem Werk gearbeitet, das von Zar Ferdinand gegründet worden ist und heute nicht mehr existiert. Im Verlauf von 30 Jahren habe ich miterleben müssen, wie alles heruntergewirtschaftet wird – insbesondere in den letzten 10 Jahren, als sich die Mafia einen Staat einrichtete. Ich bin heute hier, weil es an der Zeit ist, dass diese Mafia zusammen mit der Regierung geht.“
Bürger hoffen auf eine bessere Zukunft – eine Alterbnative gibt es immer
Sylvia Serafimowa lebt in Finnland und ist von der Bildung her Philosophin. Sie ist auf die Straße gegangen, weil sie in einem Rechtsstaat leben möchte:
„Es fällt auf, dass es nicht einmal ein „absurdes Theater“, ein absurder Sketch ist“, betont Sylvia Serafimowa. „In den Theatern gibt es begabte Schauspieler, die sich ihrer Arbeit verschrieben haben. Hier hat sich aber alles in eine Farce verwandelt. Ich hoffe doch sehr, dass uns, unsere Kinder und unsere Nächsten eine bessere Zukunft erwartet.“
Auf die Frage, welche Alternative sie nach einem eventuellen Rücktritt der jetzigen Regierung sieht, antwortete sie:
„Bei jeder Veränderung kristallisieren die Alternativen langsam aus. Wenn man seine Bürgerwerte und Prinzipien verteidigt, gibt es immer eine Alternative.“
Fotos: Darina Grigorowa
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