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Christina de Bruin, UNICEF: Viele Kinder mit Behinderungen in Bulgarien haben keinen Zugang zu Bildung

UNICEF und seine neue Kampagne „Unterstütze das Team der Zukunft – die Kinder“

Christina de Bruin
Foto: UNICEF Bulgarien

Am 20. November beginnt in Katar die Fußballweltmeisterschaft. 1925 wurde in Genf die Konvention über die Rechte der Kinder verabschiedet. Deshalb feiert die internationale Öffentlichkeit an diesem Datum auch den Kindertag. Beide Ereignisse finden eine symbolische Verflechtung in der Spendenaktion von UNICEF Bulgarien „Unterstütze das Team der Zukunft - die Kinder.“ *

„Die Situation mit den Kinderrechten in Bulgarien hat sich in den letzten Jahren verbessert, doch es lässt noch vieles zu wünschen übrig“, sagte Christina de Bruin in einem Interview für Radio Bulgarien. Sie ist seit 2021 Vertreterin des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen in Bulgarien.

„Viele der Kinder mit Behinderungen (in Bulgarien sind es laut UNICEF-Angaben etwa 32.000 - Anm. der Red.) haben keinen Zugang zu Bildung oder laufen Gefahr, vom Bildungssystem auszuscheiden. Diese Kinder sind immer noch die verletzlichsten und unsichtbarsten gesellschaftlichen Gruppen sowohl in der Welt als auch in Bulgarien. Auf 10.000 wird die  Zahl der Kinder mit Behinderungen in Bulgarien geschätzt, die weder eine Schule noch einen Kindergarten besuchen. Das ist auch das Hauptaugenmerk unserer Kampagne, dass sie aufgenommen werden und im Bildungssystem bleiben“, erklärt die UNICEF-Vertreterin und fügt hinzu, dass es sehr wichtig ist, auch die Qualität der Bildung zu betrachten, die Kindern in Bulgarien geboten wird.

„Die Covid-19-Pandemie hat jahrzehntelange Fortschritte im Bildungsbereich weltweit zum Erliegen gebracht. Aber wenn wir uns speziell die Situation in Ihrem Land ansehen, stellen wir fest, dass jedes zweite Kind keine Grundkenntnisse im Lesen und Erfassen des Lernstoffes hat. Wir beobachten auch eine besorgniserregende Tendenz bei Kindern, die Gefahr laufen, aus dem System auszuscheiden. Nach den neuesten Daten des Ministeriums für Bildung und Kultur aus dem vergangenen Jahr sind fast 120.000 Kinder vom Abbruch der Schule bedroht. Jedes fünfte Kind in Bulgarien hat seine Leistungen durch die Schließung von Schulen verschlechtert (während der Pandemie – Anm. der Red.). Keinesfalls darf auch das Problem mit der Gewalt vergessen werden“, warnt Christina de Bruin und führt an, dass jedes zweite Kind unter 18 Jahren, oder 47 %, Opfer irgendeiner Form von Gewalt geworden sind. Deshalb mahnt sie, dass es immer noch großen Bedarf an mehr Verständnis, Unterstützung und Fokussierung auf die Probleme der Kinder in Bulgarien und die Suche nach ihrer Lösung gibt.

Die Covid-Pandemie und die damit verbundene Isolation, der Krieg in der Ukraine, der nicht weit von Bulgarien tobt und die Wirtschaftskrise sind Faktoren, die jeden Bürger betreffen. Am verwundbarsten und hilflosesten im Umgang mit ihren Folgen sind jedoch die Kinder, davon sind die UNICEF-Spezialisten überzeugt. Deshalb sind mehr Toleranz und Verständnis wichtig, ist auch Borjana Gidikowa, Direktorin der Abteilung „Kommunikation“ bei UNICEF Bulgarien, überzeugt. Ihre Aussage stützt sie durch alarmierende Statistiken.

„Jedes neunte Kind begeht in Europa aufgrund großer Sorgen Selbstmord, besagen die Angaben. 50 % aller psychischen Gesundheitsprobleme bei Kindern werden vor dem 14. Lebensjahr ausgelöst, bis zu 75 % vor dem 24. Lebensjahr. Es ist daher dringend notwendig, die Meinung und Einstellung zu den Problemen der Menschen in den am stärksten gefährdeten Gruppen zu ändern. In Bulgarien leben 30 % der Kinder am Rande der Armutsgrenze. Diese Angaben sind besorgniserregend, denn sie betreffen sowohl Kinder mit Behinderungen als auch solche aus den Randgruppen der Gesellschaft. Wir müssen ständig daran denken, wie wir sie behandeln und was wir tun können, um sie in die Gesellschaft einzubeziehen, deren Zukunft sie sind“, fordert Borjana Gidikowa und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Ziele der neuen Kampagne.

„Die neue Kampagne konzentriert sich auf drei Themen, an denen wir speziell in Bulgarien arbeiten. Das ist die Sicherung einer hochwertigen Bildung für jedes Kind, die frühkindliche Entwicklung für den besten Start in das Leben von 0 bis 2 Jahren und das sehr wichtige Thema der Prävention und des Schutzes vor Gewalt, sexueller Ausbeutung und Missbrauch von Kindern“, sagt die bulgarische Vertreterin der UNICEF und informiert, in welche Programme die durch diese Kampagne gesammelten Mittel einfließen werden. Sie weist darauf hin, dass bereits Maßnahmen unternommen wurden, um einige der Probleme von gefährdeten bulgarischen Kindern zu lösen. So wird ein Teil der gesammelten Mittel in die Weiterentwicklung und Aktualisierung der kostenlosen mobilen Anwendung für symbolische Kommunikation C-Board fließen, die von der UNICEF entwickelt wurde. Die App ermöglicht Kindern, die nicht sprechen können, mit ihren Verwandten, Lehrern und Menschen in ihrer Umgebung zu kommunizieren.

Die aus der UNICEF-Kampagne gesammelten Mittel werden auch zur Unterstützung der Arbeit des Zentrums für sicheres Internet sowie des Programms „Gemeinsame Schritte zu einer Schule ohne Gewalt“ bereitgestellt werden. Die Hoffnung ist, dass sich im kommenden Jahr mindestens 200 weitere Schulen in Bulgarien der Initiative anschließen.

„Ein weiteres sehr wichtiges Angebot, das wir im Bereich des Kinderschutzes geschaffen haben, sind spezielle Sicherheitsbereiche, in denen Kinder und Familien, die Gewalt erlebt haben, Hilfe von Spezialisten erhalten können. Das sind Zentren, in denen soziale, rechtliche und psychologische Hilfe von verschiedenen Spezialisten unter „einem Dach“ angeboten werden. Unser Ziel ist es, ein Netz solcher Zentren in Bulgarien aufzubauen, denn bisher sind es nur drei - in Montana, Sofia und Schumen.“

* Die Aktion „Unterstütze das Team der Zukunft – Die Kinder“ von UNICEF Bulgarien läuft bis Ende Dezember 2022. Unabhängig vom Standort kann sich jeder daran beteiligen, indem er eine SMS an 1021 schickt und/oder an dari.unicef.bg spendet.

Übersetzung: Georgetta Janewa

Fotos: UNICEF Bulgarien




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