Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2025 Alle Rechte vorbehalten

Werden autistische Kinder in Bulgarien stigmatisiert?

4
Foto: Pixabay

Auf der ganzen Welt nehmen Autismus-Spektrum-Störungen exponentiell zu. Bulgarien ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme.

Während vor mehr als einem Jahrzehnt bei einem von 10.000 Kindern weltweit Autismus diagnostiziert wurde, ist heute im Durchschnitt eines von 70 Kindern von einer Autismus-Spektrum-Störung betroffen.

Niemand kann dieses Phänomen erklären, aber es ist eine Tatsache und ein Grund zur Besorgnis für Ärzte, Eltern und Pädagogen gleichermaßen.

In unserem Land gibt es jedoch immer noch kein Register, das alle Fälle mit dieser Störung erfasst, sagte Dr. Atanaska Awramowa, Leiterin der Tagesstation der Klinik für Kinderpsychiatrie am Universitätskrankenhaus “Alexandrowska” in einem Interview mit BNR- „Christo Botew“.

Dr. Atanaska Awramowa

„Die Diagnose und die Eintragung in ein Register sind für die Betroffenen extrem stigmatisierend und das verfälscht die Daten. Denn viele Eltern versuchen, wenn es um ihre Kinder geht, die Diagnose um fast jeden Preis zu vermeiden, um einer Stigmatisierung zu entgehen.

Leider scheinen Kinderärzte geneigt zu sein, den Besuch beim Kinderpsychiater zu verschieben. Ein Grund dafür ist, dass es in unserem Land nur wenige Kinderpsychiater gibt. Hier ist das Alter, in dem Autismus diagnostiziert wird, von Fall zu Fall unterschiedlich.

Am häufigsten wird Hilfe für Kinder im Alter von 2,5 bis 4 Jahren angefordert, da Anpassungsschwierigkeiten des Kindes im Kindergarten oft das erste Signal für die Eltern sind, professionelle Hilfe zu suchen”, sagte Dr. Awramowa.

“Was in Bulgarien fehlt, ist die Unterstützung der Eltern", sagte Ani Andonowa, Vorstandsmitglied der „Autismus-Vereinigung“, und fügte hinzu:

Ani Andonowa

„Denn es ist eine sehr schwierige Zeit, wenn ein Elternteil diese Diagnose erhält. Es gibt jetzt ein bisschen mehr soziale Dienste und Orte, an denen diese Kinder akzeptiert werden und mit ihnen gearbeitet wird. Die Integration in Kindergärten und Schulen ist wirklich auf einem höheren Niveau. Diese Kinder werden etwas besser akzeptiert, es gibt in dieser Hinsicht eine positive Einstellung, sie werden in Schulen und in sonderpädagogische Förderzentren aufgenommen, je nach dem Schweregrad der Erkrankung jedes einzelnen Kindes.

Aber wenn diese Kinder volljährig sind, gibt es für sie keine Perspektive. In unserem Land gibt wa nur sehr wenige Stellen,

an denen es Arbeit für junge Menschen mit dieser Störung gibt“, sagte Ani Andonowa.

Die Eltern haben es schwer, auch wegen der begrenzten Möglichkeiten des Sozialsystems in unserem Land.

Deshalb weist Ani Andonowa auch auf den Mangel an Frühförderung in Bulgarien hin - etwas, das seit 20 Jahren diskutiert wird.


„Wenn ein Kind schon sehr früh, unmittelbar nach der Diagnose, in das Sozialsystem einbezogen würde, würden sich die Dinge viel positiver entwickeln. Zurzeit arbeiten wir im Zentrum für soziale Rehabilitation und Integration mit einem Programm, das die Eltern einbezieht und sehen, dass dies Sinn macht“, so Andonowa.

Sie sagte, nicht jedes Kind mit Autismus sei für ein schulisches Umfeld geeignet. Gleichzeitig muss für jeden Einzelfall ein angemessener Platz in unserem Bildungssystem gefunden werden. Dazu muss aber im Vorfeld ein multidisziplinäres Team gebildet werden, das die Lehrer mit den spezifischen Bedürfnissen des betroffenen autistischen Kindes vertraut macht. Diese Maßnahme wird meist zu spät ergriffen und führt zu Konfliktsituationen im Lernumfeld, so Andonowa abschließend.

Sehen Sie noch: 

Zusammengestellt: Weneta Nikolowa /nach Beiträgen von Alexander Raitschew von BNR- Christo Botew/ 

Übersetzung: Tichomira Kraastewa

Redaktion: Rossiza Radulowa




Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

Galerie

mehr aus dieser Rubrik…

Simeon von Sachsen Coburg und Gotha

Simeon Sachskoburgotski: Die jungen und wissbegierigen Bulgaren sind heute das Kapital des Landes

Ein Jahr der politischen Instabilität und der Konfrontationen, bei denen es nicht so sehr um Ideen für einen Ausweg aus den langjährigen Machtkämpfen ging,  sondern um das persönliche Ego und die persönlichen Vorteile. So sah das Jahr 2024 in politischer..

veröffentlicht am 19.01.25 um 09:25

Holzbrücke und neuer Park in Russe rücken Mensch und Natur zusammen

Russe kann sich nun mit der längsten Holzbrücke Bulgariens rühmen. Die Anlage wurde Ende 2024 im Waldpark „Lipnik“ eröffnet. Die Brücke mit einer Gesamtlänge von 28 m ist mit einem Glasgeländer und 7 Glasfenstern auf dem Boden ausgestattet, so..

veröffentlicht am 05.01.25 um 10:05

2024 war ein „historisches Jahr“ für den Rosa Flamingo in Bulgarien

Der Rosa Flamingo galt früher als exotische Art für Bulgarien, doch seit einigen Jahren haben sich ganze Kolonien an den Seen um Burgas niedergelassen. Derzeit leben mehr als 450 Exemplare in den Feuchtgebieten von Burgas. Ornithologen zufolge..

veröffentlicht am 05.01.25 um 08:40