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Nach Spannungen im „Macht-Dreieck“: Haushalt 2026 vorerst eingefroren

Foto: BTA

Wenige Minuten bevor im Parlament die zweite – abschließende – Lesung des Staatshaushalts 2026 beginnen sollte, stoppte der Vorsitzende der größten Parlamentsfraktion GERB-SDS, Bojko Borissow, das Verfahren. Er verwies das Gesetz zur Überarbeitung zurück mit den Worten: „Solange der Dialog mit der Trilateral-Kommission nicht wiederhergestellt ist und alle sich nicht geeinigt haben, wie in den nächsten Jahren regiert wird, arbeiten wir mit dem alten Budget weiter.“

Bojko Borissow

Premierminister Rossen Scheljaskow kündigte an, dass die Regierung noch diese Woche versuchen werde, den Dialog mit Gewerkschaften und Arbeitgebern wieder aufzunehmen. „Wir werden versuchen, die makroökonomischen Parameter des Haushalts so zu gestalten, dass sie für einen großen Teil der Wirtschaft und der Gesellschaft zufriedenstellend sind“, erklärte er in Anwesenheit von Finanzministerin Temenuschka Petkowa und Vertretern der regierenden Parteien. 


„Im Dezember haben wir genügend Zeit, die Erwartungen zu erfüllen oder die Probleme zu erklären, die als Mängel des Entwurfs gelten, um am Ende einen ausgeglichenen Haushalt zu haben, der die politische Bandbreite der Regierung widerspiegelt.“

Die parlamentarische Eskalation folgt auf erhebliches öffentliches Missfallen und scharfe Kritik von Wirtschaftsexperten sowie das Scheitern der sogenannten „trilateralen Verhandlungen“ mit Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften, die üblicherweise der Haushaltsabstimmung vorausgehen.

Mit einer Menschenkette rund um das Parlament, Pfiffen für die Abgeordneten beim Verlassen des Gebäudes und Demonstrationen im „Macht-Dreieck“ – dem bekannten Bereich zwischen Parlament, Ministerrat und Präsidentschaft in Sofia – zeigten am 26. November Tausende Bürger ihren Unmut über die Regierungsführung.


Konfrontation und Eskalation

Trotz anfänglicher Aufrufe zu friedlichem Protest eskalierte die Stimmung. Protestierende warfen Flaschen und Böller auf die Polizei; Berichte vermeldeten auch Versuche, ein Polizeifahrzeug umzudrehen, Straßensperren und Blockaden des Parlamentszugangs. Trotz Appellen der Organisatoren kam es zu Verletzten: drei Polizisten und drei Demonstrierende.


Die Opposition forderte ebenfalls den Rückzug des Haushalts. Atanas Atanasow, Mitvorsitzender von „Wir setzen die Veränderung fort – Demokratisches Bulgarien“, rief die Regierung auf, den Haushaltsentwurf zurückzuziehen und zu überarbeiten – vor allem angesichts der öffentlichen Spannung kurz vor der Euro-Einführung.

Atanas Atanassow

Politische Reaktionen

Vizepräsidentin Ilijana Jotowa teilte die Besorgnis der Bürger: „Ich unterstütze diesen Protest, denn mit Dialog hätte dieser Haushalt sicher besser ausgesehen. Ich glaube nicht an die ‚Mantra‘, dass dies der einzige mögliche Haushalt sei.“ Ihrer Ansicht nach sei ein Budget noch nie unter solcher Dialoglosigkeit und Arroganz gegenüber politischen Gegnern, Wirtschaftsvertretern, Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft verabschiedet worden.

Ilijana Jotowa

Der Protest wurde von der Oppositionskoalition „Wir setzen die Veränderung fort – Demokratisches Bulgarien“ organisiert und von weiteren Parlamentsparteien, Arbeitgebern, der Wirtschaft und einem breiten Spektrum der Bevölkerung unterstützt. Hauptgrund war die Unzufriedenheit mit dem Haushaltsentwurf 2026, der Erhöhungen der Sozialbeiträge und der Dividendensteuer vorsieht.


Analysten und Oppositionsvertreter sehen die Bürgerproteste jedoch nicht nur als Reaktion auf konkrete Zahlen, sondern als Ausdruck einer breiteren politischen Dynamik: kurz vor der Euro-Einführung, mit Sorgen um soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Stabilität und Transparenz der Entscheidungen.

Die Opposition kritisierte, dass die geplanten Maßnahmen Bürger direkt belasten würden – durch höhere Abgaben und Steuern – und das ohne ausreichende öffentliche und soziale Debatte. Viele Menschen fühlten sich dadurch politisch machtlos, so dass die Straße zum einzigen Mittel des Einflusses wurde.

Christo Pantschugow

Signalwirkung des Protests

Der Protest zeigt wachsendes Missfallen nicht nur bei traditionellen Oppositionsanhängern, sondern auch bei Unternehmen, Gewerkschaften und unabhängigen Bürgern. Die Teilnahme eines breiten Spektrums, motiviert durch soziale und wirtschaftliche Argumente, signalisiert systemische Unzufriedenheit – nicht bloß spontane Emotion, sondern Reaktion auf eine als unfair und überstürzt wahrgenommene Haushaltspolitik.

Gleichzeitig warnt Politologe Christo Pantschugow, dass das Problem darin besteht, wenn Protest „das einzige Instrument“ bleibt: Ob die Gesellschaft nachhaltige Mechanismen für Dialog, institutionelle Rechenschaftspflicht und reale Beteiligung an politischen Entscheidungen entwickelt.


Autorin: Elena Karkalanowa

Übersetzt und veröffentlicht von Lyubomir Kolarov

Fotos: BTA, BGNES



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