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Der Vertrag von Lissabon – neue Horizonte für die EU

Der Vertrag von Lissabon tritt heute, am 1. Dezember in Kraft. Es war ein langer und beschwerlicher Weg – nunmehr können die institutionellen Reformen in der Europäischen Union zum Greifen kommen. Letztendlich muss die Union als Ganzes besser zu funktionieren beginnen.

Als vor rund einem Monat der tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus, der als eingefleischter Euroskeptiker gilt, den Vertrag von Lissabon unterzeichnete, atmete man in Brüssel auf. Die lange Prozedur fand damit ein Ende, nachdem sie von verschiedenen Seiten her regelrecht torpediert wurde. Etliche EU-Länder stellten Forderungen und so wurden Kompromisse gemacht – das Ergebnis ist jedoch als Erfolg zu werten. Mit wenigen Worten ausgedrückt: die Europäische Union tritt nun in eine neue Phase ihrer Entwicklung und hat alle Chancen, sich als Faktor in der internationalen Politik und Wirtschaft zu etablieren.

Kraft des Vertrages von Lissabon wird ein auf zweieinhalb Jahre gewählter Präsident der EU Gesicht und Stimme geben und für mehr Kontinuität in deren Politik sorgen. Bislang wechseln sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs alle sechs Monate im Vorsitz ab. Als erster EU-Präsident wurde der belgische Premierminister Herman van Rompuy gewählt, der sein Amt am 1. Januar kommenden Jahres antreten wird. Das ist jedoch bei weitem nicht alles an Neuerungen. Ein neuer Hoher Vertreter der Europäischen Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, gleichzeitig Vizepräsident der Europäischen Kommission, solle den Einfluss, die Stimmigkeit und die Wahrnehmbarkeit der Außenpolitik der Europäischen Union erhöhen. In diese Funktion, die als Außenministerposten angesehen werden kann, wurde die Britin Catherine Ashton gewählt. Die Europäische Kommission selbst soll erst 2014 von der Zahl der Sitze her reduziert werden, nämlich um ein Drittel. Derzeit stellt jedes EU-Mitgliedsland einen EU-Kommissar. Ein Rotationsprinzip soll dann sicherstellen, dass alle Staaten die gleiche Chance haben, einen Kommissar nach Brüssel zu entsenden.
Dafür wird die Größe des Europäischen Parlaments von 736 auf 751 Sitze wachsen. Damit wird Bulgarien einen weiteren EU-Abgeordneten gewinnen und somit 18 Vertreter entsenden können.

Bulgarien wird überhaupt etliche Vorzüge des Vertrages von Lissabon zu spüren bekommen. Bislang waren Beschlüsse in vielen Politikfeldern nur möglich, wenn die EU-Staaten einstimmig entschieden. Künftig sollen Mehrheitsentscheidungen die Regel sein, damit nicht länger ein einzelner Mitgliedstaat alle übrigen 26 blockieren kann. Ab 2014 wird auch ein neues Abstimmungssystem eingeführt, dass die Bevölkerungsstärke der einzelnen EU-Staaten besser berücksichtigen wird als bislang. Für einen Beschluss wird dann die Zustimmung von 55 Prozent der Mitgliedstaaten nötig sein, die gleichzeitig mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten müssen. Während einer Übergangsphase bis 2017 kann jeder einzelne EU-Staat aber bei einer unliebsamen Entscheidung verlangen, die Abstimmung nach dem bisher gültigen System des Vertrags von Nizza zu wiederholen. Auch noch nach 2017 können die Verlierer einer Abstimmung unter bestimmten Bedingungen eine Verlängerung der Verhandlungen einfordern. Spricht sich eine Mehrheit der nationalen Parlamente in der EU gegen einen Richtlinien-Entwurf der EU-Kommission aus, so muss diese ihren Vorschlag überprüfen.

Der Vertrag von Lissabon sieht erstmals die Möglichkeit zum Austritt eines Mitgliedstaates aus der Union vor. Möglich ist auch die Neuverhandlung der Bedingungen, die beim Beitritt eines jeden Landes ausgehandelt worden sind. Der vertrag von Lissabon regelt auch die Frage nach den Bürgerbegehren neu: Wenn eine Million EU-Bürger mit ihrer Unterschrift ein Gesetz zu einem bestimmten Problem verlangen, muss die Kommission tätig werden.

Des Vertrag von Lissabon eröffnet mit seinem Inkrafttreten neue Horizonte für die Europäische Union. Es sind nicht einzig institutionelle Fragen, die angegangen werden – es geht darum, die Arbeit der Union transparenter und bürgernaher zu gestalten. Man kann also mit Fug und Recht davon sprechen, dass man sich wieder den grundlegenden Prinzipien der Union, als sie gegründet wurde, nährt und sie auch überzeugender in die Praxis umzusetzen versucht. 

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
По публикацията работи: Dimitar Uschew


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