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Krisenphänomene

Die häufigen historischen Wandel haben die Bulgaren erfinderisch gemacht. In Krisenzeiten allerdings läuft der Bulgare im Kampf ums Überleben zu Höchstform auf. In den letzten Monaten traten Schicksale ans Tageslicht, die dem armutsbedingten Einfallsreichtum gänzlich neue Aspekte verleihen. Unternehmenspleiten, seit Monaten ausstehenden Gehälter, Arbeitslosigkeit und Armut haben viele dazu veranlasst, ihre Lebensphilosophie zu überdenken.

Seit anderthalb Jahren häufen sich Banküberfälle – und das am helllichten Tag. Für besonderes Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang eine Bulgarisch- und Englischlehrerin aus der Stadt Slawjanowo in Nordbulgarien. Sie überfiel eine Bankfiliale in einer anderen Stadt und erbeutete dabei 10.000 Euro. Zu dieser Tat getrieben hatten sie Tilgungsschulden und eine Reihe unbezahlter Rechungen. Gegenüber der Polizei bezeichnete sie den Überfall als einzigen Ausweg, um ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Ebenfalls aus Geldnot versuchte sich eine andere Bulgarin an einem Überfall auf ein Pfandhaus – jedoch ohne Erfolg.

Der Konjunktureinbruch der letzten Monate veranlasste zahlreiche Bulgaren, ihre bisherigen Wohnungen gegen kleinere einzutauschen und mit dem Rest des Geldes auf bessere Zeiten zu warten. Und, so traurig und kurios es auch klingen mag, seit einem Jahr verschwinden immer öfter Dinge von tiefer gelegenen Wohnhaus-Balkonen. Dabei haben es die Täter vor allem auf hausgemachte Dauerwürste abgesehen, die an der Luft zum Trocknen hängen.

Die Europäische Union hat 2010 zum Jahr gegen die Armut ausgerufen. Laut Angaben der EU-Kommission kämpft jeder sechste Europäer täglich ums Überleben. Rund 80 Millionen Europäer, das sind 17 Prozent der EU-Bevölkerung, leben unter der Armutsgrenze. Deshalb strebt die Gemeinschaft Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und steigende Einkommen an. Gleichzeitig will man Arbeitslosen und Minderbemittelten sozial unter die Arme greifen.

Laut Angaben des Wirtschafts- und Sozialrates gibt es in Bulgarien rund 1,2 Millionen Arme, bei einer Bevölkerung von 7,5 Millionen. Darüber hinaus leben zwischen 17 und 20 Prozent der bulgarischen Rentner unter der Armutsgrenze. Zudem verwiesen die Experten des Wirtschafts- und Sozialrates auf das Problem der „arbeitenden Armen“, die nicht nur eine Risikogruppe darstellen, sondern bei denen sich bereits ein festes Lebensmodell durchgesetzt hat.

Die Krise hat viele Menschen auf die Straße geworfen. Laut Beschäftigungsagentur waren im Februar 380.000 Menschen ohne Arbeit, was 10,6 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung ausmacht. Viele Familien haben den Gürtel enger geschnallt und kaufen nur das Nötigste. Zahlreiche Bulgaren können ihre Kredite nicht mehr bedienen. Laut Angaben der Zentralbank betraf das Ende Februar rund zwölf Prozent aller Kreditnehmer.
Um Arbeitsplätze zu erhalten, hat die Regierung rund fünf Millionen Euro bereitgestellt. Diese sollen den so genannten „subsidierten Arbeitsplätzen“ zugute kommen. Dabei teilen sich Staat und Arbeitgeber Gehälter und Sozialabgaben. Diese Programme zur Schaffung von befristeten Arbeitsplätzen finden vor allem in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit Anwendung.

Eine gute Idee war die Aufhebung der Höchstgrenze für das Arbeitslosengeld. Nunmehr erhalten gekündigte Arbeitnehmer 60 Prozent ihres sozialversicherten Gehaltes. Die Krise sorgte auch im Sozialbereich für Einfallsreichtum und Missbrauch. Laut Kristina Mitrewa, Chefin des staatlichen Amtes für Sozialversicherung, sei Geldmangel im Arbeitslosenfonds nicht auszuschließen.

Übersetzung: Christine Christov
По публикацията работи: Milka Dimitrowa


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