Obwohl die Neuwahlen am 5. Oktober gut organisiert und durchgeführt wurden, zeigten sich die internationalen Beobachter besorgt über die sich abzeichnende Apathie und Misstrauen der Wähler gegenüber der politischen Klasse sowie über den andauernden Stimmenkauf.
"Die Wahlen fanden vor dem Hintergrund der politischen- und Wirtschaftskrise statt, in einer Atmosphäre von Enttäuschung und Misstrauen in die Politik. Müdigkeit zeichnete sich unter den Wählern ab, die nicht daran glauben, dass ihre Stimme reelle Veränderungen bewirken wird", fasst die Leiterin der OSZE-Wahlbeobachtungsmission Audrey Glover ihre Eindrücke zusammen.
Auch betonte sie das Fehlen einer sachlichen Wahlkampagne und das nur schwache Medieninteresse an derselben, mit Ausnahme von Auftragsreportagen. Auf diese Weise sei den kleineren Parteien und unabhängigen Kandidaten gleicher Zugang zur breiten Öffentlichkeit verwehrt geblieben. Besonders die Druckmedien, so Glover, hätten die Ereignisse während der Wahlkampagne nur oberflächlich behandelt, Materialien mit tiefgründigen Nachforschungen und Analysen hätten vollständig gefehlt. So seien die vorhandenen Informationen dem Wähler partiell vorenthalten worden. Wenn diesen Problemen künftig nicht die erforderliche Aufmerksamkeit zuteil kommt, werden die Wählerzahlen und das Vertrauen in die Wahlen und in die Politik weiter schwinden, kommentierte Audrey Glover und weiter:
"Das Nicht-Lösen der akuten Probleme kann als Reflexion eines Klimas von Ungestraftheit und fehlender Rechenschaftslegung gewertet werden. Die Menschen, mit den wir gesprochen haben, führen das auf die tiefe Verflechtung von Wirtschaft und Politik zurück. In Bezug auf die permanent zu beobachtenden Probleme im Wahlprozess waren die Wahlen von mangelnden erfolgreichen Maßnahmen gekennzeichnet, als auch durch eine fehlende Antwort auf die Befürchtungen der Wähler."
Den Beobachtern zufolge, seien von über 300 beim Innenministerium eingegangenen Anzeigen über Unregelmäßigkeiten nur in 52 Fällen Ermittlungen aufgenommen worden, von denen lediglich 2 zu einer Verurteilung geführt hätten.
Den Stimmenkauf als auch die kontrollierte Stimmabgabe kommentierend, verweist die Leiterin der Beobachtergruppe der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Doris Fiala auf die Hauptursachen dafür - Armut, Bildungsmangel sowie die Nichtkenntnis der offiziellen Landessprache. Bulgarien, so Fiala, müsse sich um die Zerstreuung seines "Negativimages als Land, das in Sachen Fortschritt bei Transparenz, Korruptionsbekämpfung und Herrschaft des Gesetzes europäisches Schlusslicht ist", bemühen.
In Zusammenhang mit der heterogenen Zusammensetzung des künftigen Parlaments, in welches 8 Parteien einziehen werden, empfiehlt sie: "Der einzige Ausweg aus der politischen Ausweglosigkeit ist unserer Ansicht nach politische Reife und ein Schulterschluss um nationale Prioritäten, indem man die kurzsichtigen politischen Interessen überwindet."
Was die Gewährleistung von Wahlbedingungen für die zahlreiche bulgarische Diaspora im Ausland betrifft, appellierte Fiala: "Aus der Tiefe meines Herzens appelliere ich an sie, alles zu tun, um die Auswanderung von klugen und gebildeten Menschen, die ihre Heimat lieben, zu verhindern. Denn, wenn ihr das Land verlasst, könnt ihr in eurem Land nichts bewegen. Ihr müsst hier um euer Land kämpfen, in Nichtregierungsorganisationen, ihr müsst versuchen, in der Politik Fuß zu fassen und vor allem dürft ihr nicht aufgeben. Dazu möchte ich euch mit ganzer Kraft ermutigen."
Übersetzung: Christine Christov
Seit heute, dem 27. September, befindet sich Bulgarien wieder in einem 30-tägigen Wahlkampf. 28 Parteien und 11 Koalitionen haben bei der Zentralen Wahlkommission Unterlagen für die Teilnahme an den nächsten vorgezogenen Parlamentswahlen..
Bulgarien steht vor einem weiteren Rebus bei der Suche nach einem Ausweg aus der politischen Dauerkrise, nachdem Präsident Rumen Radew sich geweigert hat, einen der von der designierten Premierministerin Goriza Grantscharowa-Koscharewa..
In den letzten Wochen forderte die neue Regierung in Nordmazedonien unter Hristijan Mickoskiüberraschend, den Bau der Eisenbahnlinie nach Bulgarien zu stoppen. Die Argumente der nordmazedonischen Seite sind, dass das Projekt zum Bau der..