In einem seiner Briefe schrieb Giuseppe Verdi: „Lehrt nicht übermäßig den Sänger zu singen. Wenn ihm der Teufel auf dem Rücken sitzt, weiß er, wie er es tun muss.“ Das trifft voll und ganz auf Gena Dimitrowa zu; diese bulgarische Operndiva eroberte sich die Bühnen der Welt mit der Musik Verdis.
Wenn man das Geburtshaus der großen Opernsängerin aufsucht, hat man den Eindruck, dass es sich um Bühnendekor handelt – die Gasse, die zum Haus führt, schlängelt sich mal nach links, mal nach rechts einen Hügel hinauf, von wo aus sich ein Blick auf die Gemeindekirche eröffnet. Gena Dimitrowa sang bereits als Kind im Schulchor und beteiligte sich an allen Festen des Dorfes Beglesch in Nordbulgarien. Obwohl sie musikalisches Talent zeigte, war ihr Vater abgeneigt, dass sie sich ernster mit Musik befasst. Daher bewarb sich das Mädchen nach dem Gymnasialabschluss um ein Medizinstudium an der Universität in Plewen. Daraufhin reiste sie nach Sofia, um die Schwester zu besuchen... aber auch um an den Aufnahmeprüfungen für das Konservatorium teilzunehmen.
Ohne sich speziell für die Prüfungen vorzubereiten, meisterte sie diese. Ihre angeborene Musikalität und ihr perfektes Gehör blieben nicht im Verborgenen. Das Glück war ebenfalls auf ihrer Seite und sie kam in die Klasse des angesehenen Musikpädagogen Christo Brambarow. Er meinte, eine Stimme wie die ihrige werde nur einmal in 100 Jahren geboren. Nachdem Gena Dimitrowa 1965 an der Sofioter Oper engagiert wurde, arbeitete sie weiter mit Brambarow zusammen. In einem Rundfunkinterview erzählte Gena Dimitrowa über ihre Zeit am Konservatorium und ihren ersten Schritten auf der Opernbühne:
„Meine Opernkarriere begann in Bulgarien, nachdem ich das Konservatorium beendete. Bis ich jedoch die Opernbühne betrat, musste ich einen langen und mühevollen Weg durchlaufen. Ich kann mich nicht genau erinnern, wann ich zum ersten Mal Opernmusik vernommen habe, aber alle Aufnahmen, die ich in den 50er Jahren gehört habe, haben mich immer an meine Stimme denken lassen, die ich besaß. Meine Stimmbegabung entdeckten meine Lehrer am Gymnasium und sie wiesen mir den Weg zur Opernkunst. Ich kann keineswegs behaupten, das ich alles problemlos erreicht habe, denn als ich am Konservatorium begann, hatte ich keine nennenswerte Musikausbildung – ich musste bei Null anfangen.“
1970 gewann Gena Dimitrowa den Ersten Preis des vierten internationalen Opernwettbewerbs in Sofia. Damit begann ihre Karriere, denn sie konnte ihre Ausbildung in Italien fortsetzen.
Gena Dimitrowa debütierte mit Puccini, mit dessen Opern sie in der ganzen Welt Erfolg erntete. Die Opern Verdis waren aber ihren Worten nach der Grundstock ihrer Laufbahn. „Ich habe alle Partien seiner Opernheldinnen gesungen und habe sie ehrlich dargestellt“, sagte Gena Dimitrowa und betonte: „Verdi ist ein Komponist, der alle Opernsänger auf seinen Rücken trägt.“
Gena Dimitrowa zeichnete sich durch einen offenen Charakter und eine direkte Sprache aus, was von ihren Mitmenschen nicht immer gut aufgenommen wurde. Ihren Schülern sagte sie unverhohlen ihre Meinung über deren Fähigkeiten; für sie war die Oper ein Tempel, in dem man die Lebensphilosophie erfährt. Der Kostümbildner Wassil Opew, der die Sängerin sehr gut kannte, bestätigt: „Es gibt unzählige Beispiele für ihre Güte – sie versuchte immer den Menschen zu helfen, womit sie auch nur konnte.“ Opew erzählte uns auch, dass im Ausland keiner glauben wollte, dass die Kostüme, die Gena Dimitrowa trug, in Bulgarien angefertigt worden sind. Daher habe sie nach jeder Vorstellung stets auch den Namen des Kostümbildners genannt. Sie betonte stets, dass sie eine bulgarische Sängerin ist, die die Kultur ihrer Heimat schätzt und pflegt. Der Schriftsteller Alexander Abadschiew, der ein Buch über die Sängerin geschrieben hat, erzählt über ihren letzten Bühnenauftritt am 27. Januar 2001, dem Jahr, in dem der 100. Geburtstag von Giuseppe Verdi vermerkt wurde. Mit dem Verdi-Jubiläum wollte sie ihre Karriere beenden. Diesen Beschluss hatte sie fünf Jahre zuvor gefasst. Von 1996 bis zu ihrem Tode widmete sie sich einer intensiven pädagogischen Arbeit. Sie unterrichtete Schülern außerhalb der Nationalen Musikakademie, in der man ihr angeblich wegen fehlender freier Stelle keine Klasse gab.
In einem ihrer letzten Interviews zog Gena Dimitrowa Bilanz: „Ich habe viele Dinge in meinem Leben versäumt zu tun. Gott hat mich aber mit einem solch großen Talent beschenkt, dass ich immer oben auf schwomm, ungeachtet aller Versuche, mich unterzukriegen. Mein persönliches Leben habe ich jedoch meiner Kariere geopfert. Nun sehne ich mich nach Ruhe...“
Gena Dimitrowa wies immer die Kritiker zurecht, die sie mit anderen Sängerinnen verglichen: „In dem Augenblick, wenn man beginnt, beispielsweise die Callas zu imitieren, ist man weder die Callas, noch sich selbst – nicht wahr?! Man muss sich immer treu bleiben. Jedes Talent ist wie ein Stern, der mit seinem eigenen Licht leuchtet“, war die Sängerin überzeugt.
Der Stern, der die Metropolitan Opera in New York, die Arena di Verona und die „La Scala“ in Mailand eroberte, blieb diesem Leitsatz bis zum Lebensende treu. Gena Dimitrowa erlag am 11. Juni 2005 einem Krebsleiden, rund einen Monat nach ihrem 64. Geburtstag...
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
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