In Richtung Widin aufbrechend, stelle ich mich darauf ein, dass meine Reise in die ärmste Region der Europäischen Union geht. Die Straße schlängelt sich an herbstlich gefärbten Bergen vorbei. Beiderseits der Chaussee breiten sich gepflügte Felder aus. Hier und da sprießt die Herbstsaat. Eigentlich habe ich verwahrloste Wiesen und Felder erwartet. Nichts dergleichen. So keimt auch in mir die Hoffnung, dass diese Gegend Bulgariens erneut zu neuem Leben erwacht. Unmerklich erreiche ich die Stadt und mache mich auf zum Donauufer, um den Fluss und die zweite Donaubrücke zu genießen, die beide Ufer miteinander verbindet.
Begleiten Sie uns auf einem Spaziergang durch die Innenstadt, wo auf nur einem Quadratkilometer kulturhistorische Denkmäler aus der Römerzeit, aus dem bulgarischen Mittelalter, aus der Zeit der osmanischen Fremdherrschaft und der Epoche danach versammelt sind.
Hoch über der malerischen Biegung des zweitgrößten europäischen Flusses erhebt sich majestätisch und stolz das unangefochtene Wahrzeichen von Widin - die Baba-Wida-Festung. Sie ist die einzige vollständig erhaltene mittelalterliche Wehranlage in Bulgarien und wurde bereits 1927 verdient zum "Volksaltertum" erklärt. Ein Teil der Fundamente stammt von der römischen Bononia-Festung, wie die Stadt u.a. in der Vergangenheit hieß. Ihre Einzigartigkeit verdankt die Baba-Wida-Festung kunstvoll errichteten Bastionen und Wachtürmen aus Stein, zahlreichen Schießscharten und diversen Anlagen, ebenfalls aus Stein. Die Tausende Jahre alte Geschichte dieser Region verkörpernd, ist dieser "ewige Wächter der Donau" bis heute im modernen Stadtleben allgegenwärtig. Die Festung ist Schauplatz von Konzerten, Festivals und einer Reihe von Filmproduktionen. In unmittelbarer Nachbarschaft erhebt sich die osmanische Wehranlage "Kaleto" aus dem 17.-18. Jahrhundert. Ihr sind die neun monumentalen Stadttore zuzuordnen, von denen vier auf der Land- und fünf auf der Flussseite liegen und der Innenstadt ihr unvergleichliches Kolorit geben. Hier befindet sich ferner die 1801 erbaute s.g. "Kreuzkaserne". Wie der Namen bereits verrät stellt ihr Grundriss ein gleicharmiges Kreuz dar. Heute beherbergt sie zahlreiche Wanderausstellungen. .
Auch das historische Konak-Museum sollten sie auf keinen Fall versäumen. Das Konak-Gebäude, ursprünglich Amtssitz eines hohen türkischen Beamten, stammt aus dem 17. Jahrhundert. Zunächst diente es als Polizeisitz. Nach der Gründung des bulgarischen Exarchats im Jahre 1870 wurde es der bulgarischen Kirchengemeinde zur Verfügung gestellt. Nach der Befreiung vom osmanischen Joch zog die Widiner Stadtverwaltung in das Gebäude ein. Heute veranschaulicht das Museum die reichhaltige Geschichte der Region – von der Antike bis hin zum Russisch-Türkischen Befreiungskrieg (1877-78).
Auch Pilgerfreunde kommen hier voll auf ihre Kosten. Genannt sei die Kathedrale des heiligen Dimitar – nach der Alexander-Newski-Kathedrale in Sofia die zweitgrößte des Landes. Hier erwarten Sie zahlreiche neuere und ältere Gotteshäuser, die Ruinen der Synagoge und die kleine Kirche des heiligen Pantaleon im Hof des Widiner Erzbischofssitzes. Neben dem Gotteshaus aus dem 14. Jahrhundert befindet sich das Mausoleum von Exarch Antim I. – Erzbischof von Widin, erster bulgarischer Exarch und Präsident der ersten Großen Volksversammlung, die die Verfassung von Tarnowo verabschiedete.
Darüber hinaus wandelt man hier auf den Pfaden der traditionellen bulgarischen Toleranz. Der Widiner Erzbischofssitz ist lediglich durch eine schmale Gasse von der Moschee und der Bibliothek von Osman Pazvantoglu getrennt. Die Moschee ist im typisch orientalischen Stil gehalten, lässt jedoch auch Ornamente aus dem spätfranzösischen Barock entdecken. Auf dem Hof der Moschee empfängt uns der Imam von Widin – Samet Ismailow.
"Die Moschee wurde 1801 erbaut", erzählt der Imam. "Laut der Inschrift auf der Eingangstür widmete Pazvantoglu die Moschee seinem Vater. Ein Jahr später lässt er neben dem Gebäude eine Bibliothek bauen, die seiner Mutter gewidmet ist. Osman Pazvantoglu lässt viele Gebäude, andere Moscheen in Widin, Brunnen und Brücken bauen. Alle anderen Moscheen lässt er mit einem Halbmond versehen. Die Minarettspitze dieser Moschee versieht er jedoch mit einem Herzen - als Zeichen der Liebe und Verehrung für seine Eltern und als Vorbild für nachfolgende Generationen. Dieses Symbol macht die Moschee und die Osman-Pazvantoglu-Bibliothek weltweit einzigartig. Wir sind sehr stolz darauf, dass diese Moschee bei uns steht und sind darum bemüht, diese Botschaft an unsere Nachfolger weiterzugeben."
Auf dem Hof der Moschee zieht die Bibliothek des osmanischen Herrschers meine Blicke an. Ich gehe hinein und lausche der Erzählung von Imam Ismailow:
"Aufgrund ihres Standortes auf dem Moscheehof vermuten viele, dass die Bibliothek nur religiöse Schriften beherbergt hat", fährt der Imam fort. "Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall. Die hier aufbewahrten Bücher waren in verschiedenen Sprachen abgefasst. Ein Großteil in Französisch, da Pazvantoglu in Frankreich studiert hatte. Hier gab es sowohl Kochbücher als auch Literatur über Gartenbau. Einen Teil dieses literarischen Reichtums kann man heute in der Landesbibliothek in Sofia besichtigen, den anderen - in der Türkei. Auch heute ist hier eine Bibliothek untergebracht - allerdings mit vielfältiger zeitgenössischer Literatur. Die Tore der Moschee und der Bibliothek stehen allen offen."
Die letzten Sonnenstrahlen führen mich zurück zum Widiner Hafen, wo das letzte österreichische Kreuzfahrtschiff der Saison angelegt hat. Von diesem ergießt sich eine multinationale Gruppe neugieriger Touristen, deren Fotoapparate sofort zu klicken beginnen. Ihnen wünsche ich von ganzem Herzen einen wundervollen Herbsttag in Widin.
Übersetzung: Christine Christov
Fotos: Silvia Nikolowa, Gemeinde Widin und wikipedia.org
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