Politiker, Militärangehörige, Wissenschaftler, Schriftsteller, Künstler – das ist nur ein Teil der Bulgaren, die aus Bessarabien stammen und zum heutigen Antlitz Bulgariens beigetragen haben. Zu ihnen gehören der erste Rektor der Sofioter Universität „Hl. Kliment von Ohrid“ Alexander Toedorow-Balan, der frühere Ministerpräsident Alexander Malinow, General Iwan Kolew, General Danail Nikolaew und viele andere mehr.
Die heutigen Nachkommen der Bulgaren, die es während des Russisch-Türkischen Krieges aus Bulgarien in den historischen Landstrich Bessarabien verschlagen hat, sind an die 100.000, inoffiziellen Angaben zufolge sogar 300.000 an der Zahl. Obwohl Sofia für die bulgarischen Gemeinschaften im Ausland sorgt, scheint es die Probleme unserer Landleute in Moldawien aus den Augen verloren zu haben. Dafür weiß aber der frühere Korrespondent des BNR in Rumänien und Moldawien Georgi Wassilski aus erster Hand davon zu berichten.
„Die Probleme der Bulgaren in Moldawien sind unterschiedlichster Natur, begonnen bei den wirtschaftlichen Problemen“, sagt Georgi Wassilski. „Dort müssen ca. 4 Millionen Menschen mit einem monatlichen Durchschnittlohn von 240-250 Dollar auskommen und das bei Preisen, die mit denen in Bulgarien vergleichbar sind. Um unter diesen Umständen überleben zu können, arbeiten viele im Ausland. In kultureller Hinsicht sind unsere Landsleute dort auf der Suche nach ihren Wurzeln. Hinzu kommt, dass bulgarischen Rundfunk- und TV-Sender in Moldawien nur über das Internet zu empfangen sind. Das könnte sich bei einem aktiven Dialog zwischen beiden Staaten ändern. Man sollte in den Regionen mit kompakter bulgarischer Bevölkerung die Programme des Bulgarischen Nationalen Fernsehens und Rundfunks empfangen können.“
Die Ausstellung eines bulgarischen Passes ist eine weitere harte Prüfung für unsere Landsleute in Moldawien wegen der enormen Bürokratie in Bulgarien. Wir sollten in unserem Interesse die Prozedur erleichtern, da wir ansonsten nicht nur Menschen verlieren, die sich als Bulgaren identifizieren, sondern auch junge Leute, die gern in Bulgarien studieren wollen. Das Städtchen Tataklia ist Zentrum der bulgarischen Gemeinschaft in Moldawien. Die meisten seiner 15.000 Einwohner sind Bulgaren. Viele sprechen kein Moldawisch, halten alle bulgarischen Bräuche ein und haben keinerlei Probleme wegen ihrer Nationalität. In Taraklia befindet sich auch die bulgarische Schule „Wassil Lewski“ und eine bulgarische Universität. Deren Finanzierung ist nicht einfach, da die Mittel, die Bulgarien dafür zur Verfügung stellt, vom moldawischen Bildungsministerium verwaltet werden. Und so erreicht nur die Hälfte dieser Mittel besagte Lernanstalten. Noch ein Problem macht den Bulgaren in der Region zu schaffen – die territoriale Teilung Moldawiens, die auch an Taraklia nicht vorbeigehen wird.
„Diese Teilung wird vor allem für Wahlzwecke genutzt, da die Demokratie dort auf einem niedrigen Stand ist“, sagt Georgi Wassilski. „Die Teilung an sich birgt Gefahren für die weitere Existenz der bulgarischen Region Taraklia. Wir haben aber einen starken Trumpf in der Hand, weil die Führungselite in Moldawien vorgibt, proeuropäisch gesinnt zu sein und einen EU-Beitritt oder zumindest engere Kontakte zu den EU-Ländern anstrebt. Das bulgarische Außenministerium und die zuständigen Behörden sollten deshalb darauf bestehen, dass die territoriale Einheit der bulgarischen Regionen in Moldawien gewährleistet wird, zumal Bulgarien den moldawischen Staat unterstützt.“
Der bulgarische Staat sollte sich auch entschiedener wegen dem Bürgermeister von Taraklia Sergej Filipow einschalten, gegen den seit 2014 ein Gerichtsverfahren läuft. Ihm wird Machtmissbrauch vorgeworfen, weil er einige verdorrte Bäume im Stadtpark hat entfernen lassen. Filipow wurde verurteilt, 15.000 Lewa Schadenersatz an den Staat zu zahlen. Außerdem darf er im Laufe von zwei Jahren keine Kommunal- und Staatsposten bekleiden. Die Motive für das Gerichtsurteil sollen am 5. Mai bekannt gegeben werden. Offensichtlich handelt es sich in diesem Fall aber um einen politischen Prozess. Obwohl Sergej Filipow in der ärmsten Region in Moldawien arbeitet, ist es ihm gelungen, Taraklia ein neues Antlitz zu verleihen. Die Menschen wissen seine Arbeit zu schätzen und haben ihn 2015 trotz allem zum zweiten Mal zum Bürgermeister der Stadt gewählt. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum Filipow in Ungnade ist. Zusammen mit der Präsidentin von Gagausien Irina Wlach und anderen moldawischen Politikern widersetzt er sich der Angliederung Moldawiens an Rumänien. Ihr Kampf für ein souveränes Moldawien, das die Autonomie der bulgarischen und der gagausischen Minderheit achtet, hat die Unterstützung vieler Bürger. Obwohl Bulgarien 1.000 km von Taraklia entfernt ist, wird ein deutliches bulgarisches Statement in deren Unterstützung auch dort zu vernehmen sein.
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Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos:taraclia.com
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