Nachdem die Balkanroute im März geschlossen wurde, hat Sofia aus unterschiedlichen Anlässen immer wieder behauptet, es bestünde kein wachsender Migrationsdruck auf Bulgarien. Man rechne nicht mit einer Verlagerung der Flüchtlingswelle über Bulgarien. Allerdings würden Maßnahmen getroffen, um die Einrichtung einer alternativen Flüchtlingsroute über bulgarisches Territorium zu unterbinden. Nun hat sich das Blatt aber gewendet.
Bereits im März wurden erste Stimmen laut, der Flüchtlingsandrang in Richtung Europa könnte über Bulgarien verlagert werden. Vor wenigen Tagen haben deutsche Medien einen Bericht des deutschen Geheimdienstes zitiert, aus dem hervorgeht, dass illegale Migranten organisiert über Bulgarien ausweichen. Auf den Nato-Einsatz in der Ägäis haben die Schleuser mit alternativen Flüchtlingswegen reagiert, die von der Türkei über Bulgarien nach Westeuropa führen. Bis zum gestrigen Tag hat Sofia einen wachsenden Migrationsdruck nach Bulgarien dementiert und die Informationen des deutschen Geheimdienstes sogar angezweifelt. Völlig unerwartet hat Premier Bojko Borissow gestern aber erklärt, der stärkere Migrationsdruck auf Bulgarien sei bereits Fakt. Anlass für diese Äußerung gaben zwei Flüchtlingsgruppen aus jeweils 40 und 56 Personen. Die meisten der illegalen Migranten wurden umwendend wieder nach Griechenland abgeschoben, die restlichen werden ihnen binnen einer Woche folgen. Bulgarien hat keinerlei Ansprüche gegenüber Griechenland erhoben. Sofia betont immer wieder, dass beide Länder gut miteinander kooperieren. Dessen ungeachtet wurden bulgarische Militärs an die gemeinsame Grenze entsandt, um im Falle eines Flüchtlingsansturms der Grenzpolizei zur Seite zu stehen.
Interessanterweise haben besagte Flüchtlingsgruppen, die bei weitem nicht die größten sind, heftige Besorgnis erweckt. Minister, hohe Militärs und regionale Führungsvertreter sind zusammengetroffen, um sich vor Ort zu beraten. Gründe für den Alarm dürfte es mehrere geben. Es geht sicherlich nicht allein darum, dass es sich nach der Räumung des Flüchtlingslagers Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze hierbei um den ersten Versuch zur illegalen Grenzüberschreitung handelt. Die Reaktion der heimischen Politiker erfolgte einen Tag vor der Sitzung zum Abschluss des turnusmäßigen bulgarischen Vorsitzes in der Organisation für Zusammenarbeit in Südosteuropa (SEECP). Während dieses Vorsitzes zählte das Thema Migration zu den Hauptprioritäten Bulgariens. Während ihres Treffens in Thessaloniki Ende April waren sich die Außenminister Bulgariens, Griechenlands, Mazedoniens und Albaniens einig, dass sie trotz nachlassenden Migrationsdrucks härter gegen die Schleuser vorgehen und einen Plan B ausarbeiten wollen, um sich nicht allein auf die Maßnahmen der EU und der Türkei zu verlassen. Von einem Plan B begann man später auch in der EU zu sprechen. Zur heutigen Konferenz der SEECP in Sofia finden sich sowohl Vertreter der Balkanstaaten als auch der EU und anderer internationaler Organisationen ein, denn die Flüchtlingsproblematik ist ein Thema, das derzeit für alle sehr aktuell ist.
Mit Blick auf die bisherige Haltung Bulgariens zu dieser Problematik wird Sofia während des Forums weiterhin auf einheitliche Maßnahmen auf regionaler und EU-Ebene zur Lösung der Flüchtlingskrise bestehen. Außerdem wird Sofia verlangen, dass die Länder an den EU-Außengrenzen beim Schutz der gemeinsamen Grenzen von der EU unterstützt werden, anstatt auf sich allein gestellt nach individuellen Lösungen zu suchen.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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