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Verklärung Christi – ein Feiertag zur Jahreszeitenwende

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In Bulgarien sind der Volksglauben, die Rituale und Verbote um den 6. August, an dem die Kirche das Fest der Verklärung Christi begeht, mit der Umstellung der biologischen Uhr verbunden. Sie legen Zeugnis von der menschlichen Bestrebung ab, im Einklang mit den Gesetzen und Vorschriften Gottes zu leben und dem ewigen Kreislauf des Lebens und der Natur zu folgen. Die für Bulgarien traditionelle Mischung aus Religion, vorchristlichem und Volksglauben verbindet viele Zeichen und Wunder mit dem Fest der Verklärung Christi. Dahinter stehen natürlich oft das Wissen und die Naturbeobachtungen der Menschen. So heißt es zum Beispiel, dass am Tag der Verklärung Christi die Schwalben gen Süden aufbrechen, die Schlangen und Eidechsen sich in ihre Löcher verkriechen, die Tage ab da immer kürzer werden und schon die Grenze zwischen Sommer und Herbst in Sichtweite rückt.

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Trotz allen Volksglaubens, haben unsere Vorfahren nicht vergessen, was sich am Tag der Verklärung Christi zugetragen hat: Peter, Jacobus und Johannes waren die drei Jünger, die Jesus auf den Berg Tabor in Galiläa begleitet haben. Er verließ sie dort, um allein zu beten. Während des Gebetes wurde er verklärt. Als die Jünger vom Schlaf erwachten, sahen sie plötzlich ihren Lehrer Jesus Christus in Herrlichkeit, sein Gewand war weiß wie Schnee und sein Gesicht war verklärt. Er sprach mit den Propheten Moses und Elias. Diese sagten ihm seinen baldigen Tod in Jerusalem voraus. Daraufhin schlug Petrus vor, auf dem Berg zu bleiben und drei Hütten für die Propheten und Jesus zu bauen. Plötzlich fiel auf sie der Schatten einer ungewöhnlich hellen Wolke und von ihr ertönte eine Stimme: „Das ist mein geliebter Sohn; auf Ihn sollt ihr hören“. Und als die Stimme verstummte, verschwand die Erscheinung, und Jesus blieb in seiner gewohnten Gestalt zurück. Er sagte seinen Jüngern, dass sie erst nach seiner Auferstehung von dieser Erscheinung erzählen dürfen. Jedes Jahr erinnert das Fest der Verklärung Christi an diese Transformation des Erlösers und an die Offenbarung seiner göttlichen Natur.

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Obwohl die Verklärung Christi im Hochsommer ist, läutet dieses Fest dem Volksglauben nach den Herbst ein. In einigen Dörfern in den Rhodopen glaubt man, dass Gott eine Furche über den Himmel zieht – ein Zeichen, dass die Aussaat der Herbstkulturen beginnen kann. Es heißt, in der Nacht zum Fest der Verklärung Christi würde sich die Pforte des Himmelreichs öffnen und Gott würde erscheinen, um die Wünsche der Gläubigen zu erfüllen. An vielen Orten in Bulgarien haben die Mütter früher ihre Kinder angehalten, den nächtlichen Himmel zu beobachten, um Gesundheit und Wohlstand zu erbitten. Den jungen Generationen wurde erklärt, dass dies eine Zeit der Bilanz und der inneren Transformation ist, bevor die Jahreszeit wechselt und die Natur sich langsam auf den Winter einstimmt.

Der August ist in Bulgarien seit jeher die Zeit der Weinlese. Sie beginnt traditionell am Tag der Verklärung Christi. Der am meisten verbreitete Brauch an diesem Tag ist die Segnung der Weinreben. Die Bauern bringen die ersten reifen Weintrauben in die Kirche und die Geistlichen lesen ein spezielles Gebet. Danach werden die Reben unter Familienmitglieder, Freunde und Verwandte verteilt. Das Ritual der Traubensegnung ist von besonderer Bedeutung, denn aus ihnen wird der Wein gekeltert, der das Blut Christi symbolisiert. Der bulgarischen Tradition zufolge dürfen die Christen keine Weintrauben sowie rote Früchte und Beeren vor dem Fest der Verklärung Christi verzehren. Dem Volksglauben nach hat Gott die Reben geschaffen, um den Christen seinen Segen zuteilwerden zu lassen. Der Teufel wiederum habe die Brombeeren erschaffen, um die Menschen in Versuchung zu bringen. Um dieser Versuchung zu wiederstehen, dürfen die Menschen keine Brombeeren vor der Verklärung Christi essen. Und am 6. August muss man unbedingt zuallererst die Trauben, die Frucht Gottes, genießen.

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Erst nach der Segnung der Weintrauben konnte noch am gleichen Tag die Weinlese beginnen. Eine Ausnahme gab es im Norden unseres Landes, genauer im Gebiet um Rasgrad, wo der Aberglaube herrschte, dass man rote Furchen im Gesicht bekommt, wenn man am Tag der Verklärung Christi zu einer roten Frucht greift. Als solche galten die roten Weinbeeren oder aber auch die Wassermelonen. Deshalb begann die Weinlese in dieser Gegend am Tag nach dem Volksfest. Einem anderen Glauben nach, der unter den Bewohnern des Rhodopengebirges verbreitet war, würde an diesem Tag der Herrgott persönlich eine Furche in den Himmel pflügen – als Zeichen dafür, dass man mit der Herbstausaat beginnen kann. Das alles sind Beispiele, wie Glaube und Aberglaube zu einer Art Kalender für die Landarbeit wurden. Einem anderen Volksglauben nach öffne der Herr in der Nacht zum 6. August die Himmelspforten und erscheine selbst, um die Wünsche und Gebete der Menschen auf der Erde zu hören.

Eine Überlieferung über die Brombeeren zeigt einen deutlichen Bezug auf die antike Mythologie. Dieser Sage zufolge hätten hierzulande einstmals Riesen gelebt, die die Brombeeren vergötterten und das im wahrsten Sinne des Wortes. Sie hätten ihnen Opfergaben dargebracht. Die Riesen seien drei Meter hoch gewesen und wären der zweite Versuch Gottes, die Menschen zu erschaffen. Beim ersten Versuch seien die Menschen zu klein geraten. Sie konnten den Boden nicht bestellen und wurden eine allzu leichte Beute für die wilden Tiere. Daher seien sie ausgestorben. Also habe Gott dann die Riesen geschaffen, die so starke Stimmen hatten, dass sie sich über Berge hinweg unterhalten konnten. Sie hatten nur ein großes Auge mitten auf der Stirn, lebten in Höhlen und aßen rohes Fleisch. Die Verwandtschaft zu den Zyklopen der griechischen Mythologie ist recht deutlich. Die Riesen fürchteten nur die Brombeeren, heißt es in der Sage weiter, denn die Brombeerbüsche brachten sie zu Fall und hielten sie am Boden fest, sodass sie jämmerlich zugrunde gingen. Daher versuchten sie, die Brombeeren durch Opfergaben zu besänftigen. Trotzdem sind die Riesen aber ebenfalls vom Antlitz der Erde verschwunden und dann erst habe Gott die Menschen geschaffen, so, wie sie heute aussehen. Von den einstigen Riesen sollen jedoch nur die so genannten "Riesengräber" geblieben sein. So erklärten sich unsere Vorfahren die Megalithstrukturen, die es auch in Bulgarien gibt.

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Die magische Kraft der Brombeerbüsche, die die Riesen besiegt haben, ist in zahlreichen Segens- und Zaubersprüchen erhalten geblieben. So zum Beispiel heißt es in einem Segensspruch für die Schäfer: "So, wie euch die Brombeerbüsche nichts anhaben können, soll euch auch kein böser Zauber erreichen". Zu den Zauberritualen gegen viele Krankheiten ging der Kranke durch einen stacheligen Kranz aus Brombeerpflanzen. Getrocknete Brombeerfrüchte und Blätter waren und sind auch heute noch Bestandteil der traditionellen Kräuterheilkunde.

Deutsche Fassung: Wladimir Wladimirow

Fotos: BGNES, pravoslavieto.com und Archiv



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