Inmitten der politischen Sommerferien sorgt die Auslieferung eines türkischen Staatsbürgers an die Türkei für Kontroversen. In der Türkei gilt Abdullah Büyük als Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen, den Ankara für den Putschversuch am 15. Juli verantwortlich macht. Die türkische Seite hatte bereits vor dem Putschversuch um die Auslieferung von Büyük ersucht und das damit begründet, dass man wegen Verbindungen zur Terrororganisationen und Geldwäsche gegen ihn ermittle. Allerdings wurde diesem Gesuch von bulgarischer Seite nicht stattgegeben und vom Sofioter Appellationsgericht im März endgültig abgelehnt.
Zwischenzeitlich hatte Büyük im Februar politisches Asyl beantragt. Der Antrag wurde jedoch am 27. Juli – zwölf Tage nach dem Putschversuch – abgelehnt. Während Büyük auf das Ergebnis seines Asylverfahrens wartete, war sein dreimonatiges Aufenthaltsrecht in Bulgarien abgelaufen. Bei einer "Routineprüfung" wurde er von der Polizei ohne gültige Ausweispapiere in Gewahrsam genommen. Daraufhin erfolgte am Grenzübergang Kapakule die unverzügliche Auslieferung an die türkischen Behörden, ohne dass Büyük die Gelegenheit hatte, dagegen Berufung einzulegen. Wegen eines ähnlichen Versäumnisses war Bulgarien bereits zuvor vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilt worden.
So wurde dem vom Gericht zurückgewiesenen Gesuch der Türkei durch eine Administrativmaßnahme der Exekutive stattgegeben. Vor dem Hintergrund eines rechtkräftigen Gerichtsurteils, das die Auslieferung mit der Begründung ablehnt, Büyük könnte in der Türkei Handlungen ausgesetzt werden, die den grundlegenden Menschenrechten widersprechen, sei die Auslieferung unrechtmäßig, behaupten Juristen. Der auf Menschenrecht spezialisierte Rechtsanwalt Mihail Ekimdschiew ging noch weiter und verglich die Überstellung mit einer Mafia-Entführung. Die Bürgerbeauftrage Maja Manolowa kommentierte ihrerseits, Büyük hatte keine Möglichkeit, gegen die Maßnahme Berufung einzulegen, womit das Innenministerium internationales Recht, das bulgarische Grundgesetz und das Flüchtlingsgesetz verletzt habe. Zudem forderte sie das Ministerium auf, seinen rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und den Bürgerbeauftragen und Menschenrechtsorganisationen von derartigen Administrativmaßnahmen in Kenntnis zu setzen.
Die Umstände, unter denen die Überstellung vonstatten ging, haben Bedenken aufkommen lassen, dass Ankara im Gegenzug in Aussicht gestellt haben könnte, keine Flüchtlinge nach Bulgarien zu lassen oder den untergetauchten türkischen Staatsbürger auszuliefern, der den Tod zweier Motorradfahrer in Bulgarien verschuldet hat und sich dafür vor Gericht verantworten muss. Das Innenministerium hat diese Bedenken dementiert und versichert, die Auslieferung sei mit Interpol abgestimmt worden und stehe mit Erwäggründen für die nationale Sicherheit in Zusammenhang. In ihrem Bemühen, den Fall zu verharmlosen, betonte die Behörde, seit Jahresbeginn seien weitere 31 türkische Staatsbürger nach gleichem Verfahren an die Türkei ausgeliefert worden. Insgesamt habe Bulgarien 500 Ausländer überstellt. Allerdings wurde nicht präzisiert, ob die betroffenen Personen in ihrer Heimat ebenfalls politischer Verfolgung ausgesetzt waren, die die gerichtliche Ablehnung des Auslieferungsgesuchs berechtigt.
Der Fall wird nunmehr politisiert. Auch aufgrund der Tatsache, dass der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu unmittelbar vor der Überstellung erklärt hatte, trotz offizieller Ablehnung durch das Gericht werde eine Auslieferung erfolgen. Zudem fehlt es nicht an Kräften, die eine Änderung in den Beziehungen zur Türkei anstreben. Die Erinnerung an den Versuch, den Putschversuch in der Türkei auf die parlamentarische Agenda zu bringen, ist nach wie vor sehr wach. Zudem steht ein umstrittener Wahlkampf bevor.
Mittlerweile hat der Fall Büyük auch für internationale Resonanz gesorgt. Auf einem Massenmeeting bezeichnete Präsident Recep Erdogan Bulgarien als Beispiel für einen Staat, der türkischen Gesuchen stattgibt und eine Person ausgeliefert hat, nach welcher wegen des Putschversuchs gefahndet wird. Ein Beispiel, dem Griechenland bisher nicht folgt. Auch die USA sind nicht dazu geneigt, Fethullah Gülen auszuliefern. Der Hohe Kommissar für Menschenrechte Zaid Raad Al-Hussein hat Sofia die systematische Verletzung der Menschenrechte durch die Kriminalisierung des Vorgehens von Migranten vorgeworfen und präzisiert, "die Politik Bulgariens wirft ernsthafte Befürchtungen über die Einhaltung des Völkerrechts im Lande auf."
Ministerpräsident Bojko Borissow verwies seinerseits, er sei um einen Sonderstatus Bulgariens in der Türkei bemüht, da, wenn die Türkei nicht mehr als sicherer Drittstaat gelte, Bulgarien der erste sichere Drittstaat für Flüchtlinge sei. In diesem Fall würden kraft internationaler Vereinbarungen 400.000-500.000 Flüchtlinge aus Westeuropa nach Bulgarien geschickt, die Bulgarien nicht in der Lage sei aufzunehmen.
Übersetzung: Christine Christov
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