Die Bulgarin Michaela Lakova gehört in den Niederlanden zu den interessantesten Medien-Künstlern. Zuerst studierte sie an der Nationalen Akademie für Theater- und Filmkunst in Sofia und als sie 2011 ihr Diplom machte, deutete nichts auf ihre Karriere im Medienbereich hin. Doch der Wechsel ließ nicht lange auf sich warten.
„Mein Interesse wurde geweckt, als ich 2012 ein Magister-Studium in Rotterdam aufnahm, wo ich bis heute lebe“, erzählt Michaela Lakova. „Nach meinem Abschluss begann ich als visuelle Künstlerin zu arbeiten – ich beschäftige mich mit den Problemen der Digitalisierung als freien Informationsaustausch im Internet, der Suche und dem Identitätsmissbrauch wie auch des stetigen Rückgangs in der Benutzung physischer Datenträger zugunsten sogenannten Cloud-Dienstleistungen. Meine Nachforschungen ergaben, dass das Löschen von Veröffentlichungen im Internet unmöglich ist, da sie auf vielen Ebenen verbreitet und kopiert werden. Mit „Delete“ kann man keine Information löschen! Im Zuge des Vormarsches der Cloud-Dienstleistungen verlieren wir den Zugang zu den physischen Datenträgern bzw. dem Datenspeicher. Lange Zeit sträubte ich mich, ein eigenes Facebook-Profil zu erstellen – dabei ahnte ich noch nicht einmal die Gefahren. Mit dem Auftauchen der Medien-Theorie entdeckte ich eine Reihe von Experten, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Ich denke, dass Facebook ein unumgänglicher Teil unseres Alltags ist und uns sehr viel Informationen und Kontakte bietet. Gleichzeitig damit müssen wir aber auch sehr vorsichtig sein, wenn wir persönliche Angaben und Fotos veröffentlichen, denn sie bleiben dort für eine unbestimmte Zeit, um nicht sogar zu sagen für immer. Die Menschen denken, dass sie Rechte auf das haben, was sie im Internet posten. Es ist jedoch so, dass sobald wir uns mit den Nutzungsbedingungen von Facebook, Twitter u.a. einverstanden erklären, wir im Grunde genommen freiwillig unsere Rechte mit der Plattform teilen. Das halte ich für ein Problem.“
2014 stellte Michaela Lakova ihre interaktive Medien-Installation „DEL?No, wait!REW“ vor. Sie fand sehr großen Anklang und wird seitdem auf den verschiedensten europäischen Festivals für Medien-Kunst gezeigt. Alles begann mit dem Kauf von 10 gebrauchten Festplatten:
„Ich begann die Information wiederherzustellen, die von den Festplatten gelöscht worden ist“, erzählt Michaela Lakova. „Ich wollte zeigen, dass es unmöglich ist, Daten zu löschen und was daraus resultiert. Ich entdeckte Unmengen von Fotos. Die rein ethische Seite drängte die Frage auf, was ich mit ihnen machen soll. Ich entschloss mich, eine Installation zu gestalten, wobei dem Publikum die Entscheidung überlassen wird, was mit ihnen geschehen soll. Auf einem interaktiven Bildschirm wurden zwei Möglichkeiten angeboten: entweder das entsprechende Foto zu löschen oder zu speichern. Falls man sich für die zweite Variante entscheidet, werden die Fotos in eine Online-Galerie gestellt, zu der alle Zugang haben.“
Ein Teil dieser Fotos wurde für die Veröffentlichung „The Blue Print“ verwendet. Darin führt Michaela Lakova die Leser in die Welt der Medien-Kunst ein. Die Ausgabe wurde von der Schweizerischen Stiftung „Gaudenz B. Ruf“ unterstützt. Gegründet wurde sie übrigens von einem Schweizer, der 5 Jahre in Bulgarien gelebt hat und sich vor Ort vom schöpferischen Potential der Bulgaren überzeugt hat. Der Fond vergibt seitdem an junge bulgarische Künstler einen gleichnamigen Preis. Michaela Lakova ruht sich jedoch nicht auf ihren Lorbeeren aus und sammelt weiter Material für ihre Arbeit. Bei der letzten Präsentation ihrer Installation im Mai vergangenen Jahres in Österreich, stellten ihr die Kuratoren der Ausstellung Festplatten zur Verfügung, die aus Ghana in Afrika stammen. Dort befindet sich nämlich eine der weltweit größten Müllhalden für Elektronikschrott. Sie ist nicht nur ein beängstigendes ökologisches Problem, sondern auch eine Mekka für Identitätsdiebstahl. Die örtliche Bevölkerung sucht regelmäßig nach alten Festplatten, stellt die angeblich gelöschte Information wieder her und verwendet sie zum Zwecke der Bereicherung gegen die einstigen Eigentümer.
Und so sind wir unversehens bei der digitalen Kriminologie angelangt. „Dieses Gebiet interessiert mich“, gesteht die Künstlerin, meint jedoch, dass ihr Interesse eher die künstlerische Seite betrifft. Als Medien-Künstlerin will sie das Publikum erreichen, das unformiert und unvorsichtig ist. Michaela Lakova stellt allen nachdrücklich die Frage: „Und was haben Sie mit ihren alten Festplatten gemacht?“
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
Fotos: Privatarchiv
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