Im Regionalen Geschichtsmuseum der mittelbulgarischen Stadt Stara Sagora ist bis Ende Juni eine Ausstellung unter dem Motto „Mit bulgarischem Geist und europäischem Gedanken“ zu sehen. Sie ist dem Jahr des europäischen Kulturerbes und der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft gewidmet. Vorgestellt werden Persönlichkeiten, die entweder in Stara Sagora geboren wurden, oder in dieser Stadt unmittelbar nach der Neugründung des bulgarischen Staates gelebt haben.
„Die Exposition soll an jene Menschen erinnern, die Stara Sagora wieder aufgebaut haben, nachdem sie im Russisch-türkischen Krieg von 1877/78 von den Fremdherrschern bis auf die Grundmauern niedergebrannt wurde“, erzählt die Kuratorin der Ausstellung, Rajna Antonowa. „Die Ausstellung umfasst eine Periode, die Ende der bulgarischen Wiedergeburt beginnt und Mitte des 20. Jahrhunderts endet. In dieser Zeit haben sich unsere Mitbürger eine solide Ausbildung an europäischen Universitäten angeeignet und sind nach Stara Sagora zurückgekehrt, um mit viel Mühe der Stadt ein europäisches Antlitz zu verleihen. Kultur, Bildung, Wirtschaft und Handel blühten dank ihrer Arbeit wieder auf. Genannt seien der erste Metropolit von Stara Sagora Methodi Kussew, der die herrliche Parkanlage anlegen ließ, die heute das „grüne Herz“ von Stara Sagora ist. Die Gruppe der Lehrer ist groß. Unter ihnen ist Anastasija Toschewa – die erste bulgarische Lehrerein, die eine pädagogische Hochschulbildung, angeeignet in Odessa, besaß. Alexander Kosarew war seinerseits überaus aktiv; er beaß enzyklopädisches Wissen, beherrschte sieben Sprachen und hatte an angesehenen europäischen Universitäten drei Hochschulabschlüsse gemacht. Während der Vorbereitung dieser Ausstellung sind wir auf sehr interessante, jedoch wenig bekannte Persönlichkeiten gestoßen, die sich in Stara Sagora niedergelassen und immenses geleistet haben. Das sind u.a. Dr. Kiro Wasow, Bruder des bulgarischen Nationalschriftstellers Iwan Wasow, und dessen Sohn – Dr. Iwan Wasow – ein Rechtswissenschaftler, Rechtsanwalt und gesellschaftlich aktiver Bürger. Wir haben auch den vielen Malern, Ingenieuren und Architekten Aufmerksamkeit gewidmet, die ein modernes Stadtbild geschaffen haben.“
Sie haben jedoch nicht nur Bedeutendes für Stara Sagora geleistet, sondern auch für das ganze Land. Rajna Antonowa bestätigt das:
„Etliche haben eine bleibende Spur in der gesamten politischen und kulturellen Entwicklung Bulgariens hinterlassen. Andrej Toschew beispielsweise hat nach einem Studium der Naturwissenschaften im Ausland, eine Zeitlang in seiner Heimat als Lehrer gearbeitet. Er war gleichzeitig ein Wissenschaftler, Mitglied der Bulgarischen Buchgesellschaft, aus der später die Akademie der Wissenschaften hervorging, er war ferner Diplomat und Politiker. Mitte der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde er Ministerpräsident Bulgariens. Dr. Iwan Garwanow hat seinerseits Physik studiert und am Kaiserlichen Königlichen Polytechnischen Institut in Wien seinen Doktor gemacht. Obwohl er ausgezeichnete Aussichten hatte, dort Karriere zu machen, kehrte auch er nach Bulgarien zurück. Er gab übrigens sein Leben für die Befreiung des zu seiner Zeit noch unter türkischer Fremdherrschaft stehenden bulgarischen Landesteils Mazedonien. Der Mathematiker Iwan Salabaschew war ein bemerkenswerter Vertreter des öffentlichen Lebens, Politiker und Finanzminister. Nennen will ich auch Prof. Anton Mitow, der die Kunstakademie in Florenz absolviert hatte und zusammen mit dem Tschechen Jan Mrkvička die Malschule in Sofia gründete, aus der die Kunstakademie hervorging. Eine weitere Persönlichkeit aus Stara Sagora ist der Maler Dimitar Gjudschenow, der die wohl wichtigsten Ereignisse unserer Geschichte auf Leinwand dargestellt hat. Unter den Persönlichkeiten sind ferner viele Schriftsteller, wie Geo Milew, Nikolaj Liliew, Kyrill Christow, Musiker, wie die Opernprima Hristina Morfova und Prof. Atanas Gardew – der erste bulgarische Fagottspieler mit einer akademischen Musikausbildung. Boris Mitow ist wiederum einer der ersten bulgarischen Biologen nach der Neugründung des Landes 1878. Die meisten der genannten Persönlichkeiten waren nicht nur ausgezeichnete Kenner ihres Faches, sondern auch tatkräftige Politiker, Stifter und Wohltäter. Sie haben nach der Befreiung Bulgariens den Grundstein des aktiven Kulturlebens und der Wohltätigkeitsinitiativen in unserer Stadt gelegt; sie kümmerten sich um Arme und Waisenkinder und spendeten für Kirchen und Klöster. Sie sahen darin eine Pflicht eines jeden Bürgers.“
Welche Botschaften sind in der Ausstellung enthalten, fragten wir abschließend die Kuratorin Rajna Antonowa.
„Die wichtigste Botschaft ist bereits im Motto der Ausstellung enthalten – „Mit bulgarischem Geist und europäischem Gedanken“. Wir dürfen diesen Geist nicht vergessen, der beim Aufbau des neugegründeten bulgarischen Staates allgegenwärtig war. Wir haben diese Ausstellung auch nicht zufällig im Jahr der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft eingerichtet und sie am Vorabend des bulgarischen Nationalfeiertages am 3. März eröffnet. Wir möchten, dass dieser bulgarische Geist erhalten bleibt und auch die kommenden Generationen beflügelt.“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: museum.starazagora.net
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