„Im Januar ist Surwa-Zeit“, sagen die Einwohner der westbulgarischen Stadt Pernik, in der jedes Jahr am letzten Wochenende des Monats Januar das Internationale Festival der Schembartläufer „Surwa“ veranstaltet wird. Für die diesjährige 28. Ausgabe dieses Karnevals, die vom 25. bis 27. Januar stattfindet, haben sich über 7.500 Teilnehmer angemeldet. 102 Gruppen aus den verschiedensten ethnographischen Regionen Bulgariens werden für sie typische Masken der Schembartläufer vorstellen. Gleichgeartete Bräuche wollen ihrerseits 19 Gruppen aus Mazedonien, Russland, Portugal, Italien, Serbien, Rumänien, Griechenland, Slowenien und der Türkei präsentieren. Mit jedem Jahr wächst das Interesse an diesem Festival vor allem unter den Kindern. Nunmehr wollen über 1.300 Nachwuchs-Schembartläufer in die maskierten Rituale und Traditionen eintauchen.
Das Surwa-Folklorefest ist neben den Gesängen der Großmütter aus Bistritza, den Feuertänzern und der Teppichweberei in Tschiprowtzi der vierte bulgarische Brauch, der in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen worden ist. Getreu der Tradition finden in der Region der Stadt Pernik zum Tag des heiligen Basilios des Großen, der nach altem Kirchenkalender am 14. Januar begangen wird, Schembartspiele statt. Maskierte Männer, die man in Bulgarien auch als „Surwakari“ oder „Kukeri“ bezeichnet, veranstalten ihre Umzüge, mit denen sie das Böse vertreiben wollen. Ljudmil Jordanow, dessen Vorväter seit drei Generationen aktiv die Schembartläufer-Traditionen pflegen, versicherte uns, dass beide Bezeichnungen richtig seien – in den verschiedenen Regionen Bulgariens würde man halt andere Bezeichnungen für ein und denselben Brauch verwenden. Alle würden sie jedoch unter der Bezeichnung „Kukeri“ kennen.
Die Wurzeln dieser Tradition reichen weit in die Geschichte zurück und stammen noch aus vorchristlichen Zeiten. Der Brauch selbst beginnt am Abend des 13. Januar mit dem Bau großer Scheiterhaufen. Ihrem Feuer wurden läuternde Kräfte nachgesagt; es wirke sich erneuernd aus und würde zu neuem Leben erwecken.
Der Kukeri-Brauch wird seit je her von Vater auf den Sohn weitergegeben. Ljudmil Jordanow war kaum 3 Jahre alt, als er sich mit seinem älteren Bruder (damals 7 Jahre alt), seinem Vater und Großvater dem Umzug anschloss. Das war 1993. Masken und Kostüme für die Schembartläufer habe die Familie aber schon immer angefertigt. Die eigentliche Vorbereitung auf das Fest beginne einen Monat zuvor:
„Die Kostüme, die in den Jahren zuvor benutzt wurden, werden immer wieder erneuert, wobei man vor allem auf die Ausarbeitung neuer Masken Wert legt“, erzählte er uns. „Die Schembartgruppe trifft sich in einem speziell dazu eingerichteten Raum. Jeder bringt das notwenige Material mit und gemeinsam wird das Fest vorbereitet. Jede Maske ist eine Sonderanfertigung und wird ganz individuell gestaltet. Es werden vordem keine Zeichnungen angefertigt. Der Meister arbeitet sie ganz nach seinem Gefühl aus.“
Die Masken der Schembartläufer sehen furchterregend aus. Man hält sich bis heute an die Tradition, dass sie bis zum Umzug niemanden gezeigt werden dürfen, damit sie nicht ihre magische Kraft einbüßen. Ljudmil Jordanow erklärte uns, dass die Masken vor allem die Funktion haben, die bösen Kräfte zu vertreiben. Allein aus diesem Grund müssen sie erschreckend aussehen – schrecklicher als das Böse selbst:
„Unsere Schembart-Masken werden ausschließlich aus natürlichen Werkstoffen gemacht – Holz, Leder und Horn. Die Stützkonstruktion wird aus Purpur-Weide angefertigt, da dieses Holz leicht und zäh ist und sich entsprechend gut biegen lässt ohne zu brechen. Darauf werden Tierfelle gespannt, sei es von Schaf, Ziege, Hase oder anderen Tieren. Eine Maske gilt als fertig, sobald man ihr die großen Hörner aufgesetzt hat, die von Tieren stammen, die nicht gefährdeten Arten angehören. Man muss betonen, dass die Kukeri-Masken nicht von Barbaren angefertigt werden, die Tiere einfach so abschlachten, auch wenn sie wie „wilde Männer“ aussehen.“
Laut Ljudmil Jordanow könne sich jeder Kostüm und Maske anfertigen. Man müsse nur den Wunsch dazu haben und mit Herz und Seele bei der Sache sein. Die Kostüme sind in verschiedenen Farben; Rot darf jedoch keinesfalls fehlen, denn man ist seit je her überzeugt, dass die rote Farbe das Böse abschrecke. Jede Schembartgruppe bastelt Masken und Kostüme ganz auf ihre Weise und mit unterschiedlichen Material; zur Anwendung kommen auch Lumpen, Federn, Glasperlen und Tierhäute. „Aus diesem Grund sind in unserem verhältnismäßig kleinem Land die Schembartläufer so verschieden“, versichert Ljudmil Jordanow.
Dieser alte Brauch hat seine eigene Symbolik. Jeder Bewohner erwartet mit Ungeduld die Schembartläufer, die mit ihren Ritualen, Tänzen und dem lauten Klang ihrer Schellen das Böse vertreiben und Gesundheit, Glück und Wohlergehen bescheren.
„Bereits in den frühen Morgenstunden macht sich unsere Gruppe auf und macht die Runde durch unser Dorf „Selischten Dol“. Mit dem wiederhallenden Lärm der Kuhschellen vertreiben wir die bösen Geister. Die Tänze der Kukeri sollen Fruchtbarkeit und Gesundheit bringen. Nachdem die Gruppe jedes Haus aufgesucht hat versammeln wir uns auf dem Dorfplatz und mit einem letzten Klang der Kuhschellen wird das Fest beendet. Zum Brauch dieses wohl größten Festes in der Region Pernik gehört natürlich auch eine gemeinsame Festtafel.“
Die traditionellen Schembartspiele dieser Region wurden 1966 in ein Festival verwandelt, das mit den Jahren zu einem landesweiten Fest wurde. Pernik ist Mitglied der Vereinigung der Karnevalsstädte Europas und wurde 2009 zur europäischen Hauptstadt der Maskenspiele ausgerufen.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Privatarchiv und BTA
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