Im alten Ägypten – glaubt man den Hieroglyphen - haben Menschen und Götter ihr Vertrauen durch Händedruck bestärkt. Jemandem die Hand zu geben ist fünf Jahrtausende später nicht nur eine Höflichkeitsgeste, sondern auch eine nützliche Informationsquelle. Durch die Art und Weise, wie wir uns die Hände schütteln, können wir unser Gegenüber auf emotionaler Ebene erfühlen und ein Signal der Offenheit und des guten Willens erhalten.
Was passiert aber heute, wenn die soziale Distanz uns voneinander entfernt und wir jeden, der sich uns nahe kommt, voller Argwohn betrachten? Radio Widin hat sich mit unterschiedlichen Menschen aus der Stadt darüber ausgetauscht, ob die Coronavirus-Pandemie sie dazu gebracht hat, diese Geste zu überdenken, mit der wir alle bis vor kurzem erste zwischenmenschliche Kontakte hergestellt haben.
„Aus Gewohnheit streckt man manchmal die Hand aus“, antwortete ein Mann aus der Donaustadt. „Obwohl ich mir keine Sorgen mache, muss der Abstand eingehalten werden. Nachdem die Pandemie zu Ende ist, werden viele Dinge nicht mehr so sein wie früher. “
Sich die Hand zu geben ist eher eine Tradition der „alten Generation“, behauptet eine Frau aus Widin:
„Wir wissen, dass Ausländer sich umarmen und küssen, während das bei uns weggefallen zu sein scheint. In Rumänien zum Beispiel, wo meine Kinder lernen, wird einer Frau keine Hand ausgestreckt, weil es unhöflich ist, sie zu berühren.“
Ob Begrüßung mit dem Ellbogen, mit zusammengefalteten Handflächen wie bei „Namaste“ oder mit einer Verbeugung wie in Asien - wir brauchen mit Sicherheit ein körperliches Ritual, mit dem wir die Worte „Guten Tag“ oder „Hallo“ begleiten.
„Wenn ich einen Bekannten treffe, der mir die Hand gibt, werde ich ihm den Ellbogen reichen", sagte ein anderer Bürger. „Wir achten auf die Einhaltung der Distanz, weil Widin als Grenzgebiet und Eingangstor zu den ersten Orten gehört, die von Infektionen bedroht sind. Deshalb müssen wir vorsichtig sein. "
Womit können wir die Begrüßung noch ersetzen?
„Mit einem Rockergruß - weil wir Rocker sind“, scherzen junge Leute.
Einige verzichten jedoch seit je her auf körperlichen Kontakt.
„Vielleicht reicht es, nur Hallo zu sagen. Von nun an werden wir wahrscheinlich mehr und mehr verbal kommunizieren. Aus Hygienegründen habe ich aber schon vor der Pandemie das Händeschütteln vermieden.“
Es gibt aber auch Menschen, die den Händedruck als ermutigende Geste betrachten.
„Beim Kennenlernen würde ich die Hand reichen, so schlimm ist es auch wieder nicht“, sagte einer der Passanten.
„Wir sind in einer solchen Altersgruppe, dass wir aufgeschmissen sind, falls wir es mit der Angst zu tun bekommen“, meinte ein älterer Mann aus Widin, und ein anderer fügte hinzu: „Nach langjährigen Kontakten darf man sich plötzlich nicht mehr die Hand geben. Aber besser, wir kommen jetzt ohne Handschlag aus und haben danach wieder Kontakte, als vorzeitig das Zeitliche zu segnen.“
Manche schätzen die Panik als übertrieben ein.
„Wenn ich die nötigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen habe, würde ich meinem Gegenüber die Hand drücken“, sagte ein anderer der Befragten. „Es darf keine Panik geben. Das ist eben Tradition bei uns – manche Nationen sind kälter, aber der Händedruck wird auf dem Balkan bleiben.“
„Ein Handschlag ist obligatorisch, um Achtung für sein Gegenüber aufzubauen“, fasst ein Bürger zusammen.
Werden wir uns daran gewöhnen, uns aus der Ferne zu begrüßen oder werden wir eines Tages, wenn das Coronavirus verschwunden ist, wieder einander vertrauen? Was immer auch passieren mag, wir werden die kleinen Gesten, die unsichtbare Botschaften vermitteln und uns einander näher bringen, sicherlich mehr zu schätzen wissen.
Redaktion: Diana Zankowa (nach einer Umfrage unseres Kollegen Genadi Weljow von BNR-Widin)
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: BTA
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