Am Tag der Heiligen Petrus und Paulus am 29. Juni werden in Bulgarien auch die Kunsthandwerker geehrt. Bulgarien ist seit je her für sein Kunsthandwerk berühmt, sei es der traditionelle Schmuck aus Silberfiligran, die vielfältigen reich bestickten Trachten, oder die verschiedenen Haushaltsgegenstände, deren Anfertigung sich tatsächlich der Kunst nähert.
Stickerei und Besatzschnüre sind von den bulgarischen Trachten nicht wegzudenken. Solange es geschickte Hände gibt, die sie anfertigen können, wird es auch die mit ihnen reich verzierten Trachten unseres Landes geben. Neben den traditionellen Trachten, die strikt den alten Vorlagen folgen, gibt es auch die sogenannten Bühnentrachten, mit denen die bulgarischen Folkloreensembles im In- und Ausland auftreten. Stojan Marinow aus der nordostbulgarischen Stadt Dobritsch gehört zu jenen Meistern, die Kostüme für Laien- und professionelle Ensembles, aber auch Trachten nach authentischen Stücken herstellen. Marinow hat u.a. die Trachten von Sängerinnen, wie Janka Rupkina und Galina Durmuschlijska genäht.
„Ich habe für bulgarische Folkloreensembles in Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden gearbeitet und von mir hergestellte Trachten haben Menschen aus den verschiedensten Erdteilen gekauft – bis nach Kanada und Kamtschatka“ sagt voller Stolz der Meister und fährt fort:
„Für mich ist die Arbeit ein Vergnügen. Ich habe mit der Herstellung von Trachten angefangen, als ich 15 Jahre alt war und habe mir alles im Alleingang beigebracht. Man braucht viel Geschick, um eine Tracht herzustellen. Die aufwendigste Arbeit ist der Besatz mit kleinen Glasperlen. Am meisten gefallen mir die verschiedenen Kopfbedeckungen, die sich regional stark voneinander unterscheiden. Ohne die Ausschmückung geht es bei den Trachten nicht. Erst dann kommen Handfertigkeiten, wie bei der Anfertigung des Schnitts, dem Weben des Stoffes, der Bestickung und dem Besatz mit handgefertigten Spitzen, seien sie gehäkelt oder gestrickt.“
Stojan Marinow ist in einer Zeit aufgewachsen, als es noch Menschen in Bulgarien gab, die über die Trachtenherstellung erzählen konnten. „Und das Wichtigste: sie haben das ästhetische Maß, die Kriterien und den Geschmack weitergegeben, die bei der Anfertigung einer Tracht so wichtig sind“, unterstreicht der Meister. „Es reicht nicht aus, allein die Herstellungstechniken zu beherrschen, es muss jemand da sein, der einem die Feinheiten des Gewerbes zeigt.“ Mit Wehmut meint Stojan Marinow, dass es heutzutage niemanden mehr gebe, von dem man lernen könnte. Die Hersteller von Trachten seien auf sich allein gestellt.
„Das Volkshandwerk ist ein komplizierter Mix aus Fertigkeiten und ästhetischen Kriterien. Es ist in vollkommenes System, bestehend aus Traditionen, Überlieferungen, Sichtweisen und Ritualen“, erzählt weiter der Meister. „Sobald man sich all das angeeignet hat, kann man leicht und mit geschickter Hand darauf aufbauen. Wenn früher jemand eine Imitation einer schönen Tracht angefertigt hat, wurde er verlacht und von allen gerügt. Wenn jedoch jemandem gelang, etwas geschmackvoller zu gestalten, wurde es auch von den anderen übernommen. Ich folge meinen Geschmackskriterien, muss aber den Anforderungen Rechnung tragen, die an ein Bühnenkostüm gestellt werden. Solche Trachten sieht man aus weiterer Distanz und auch die Lichtverhältnisse sind andere, sprich Beleuchtung mit Scheinwerfern...“
Laut Stojan Marinow dürfe man bei der Anfertigung von Trachten keine überflüssige Phantasie walten lassen. Geiz und übereilte Arbeit schaden aber auch der Kunst, ist der Meister überzeugt.
„Ich bin immer bereit, eine Arbeit anzufangen und nehme gern Bestellungen an“, setzt Stojan Marinow fort. „Immer mache ich die Sachen etwas verschieden. Die Details mache ich anders, bleibe aber stets den bulgarischen Traditionen treu. Damit ein Jahrtausende alter Baum weiter gedeiht, darf man nicht seine Wurzeln beschneiden, oder ihn gar mit der Axt schlagen. Leider stehen heutzutage die Dinge etwas anders. Man darf auch nicht auf die Anerkennung der Menschen warten. Das Wichtigste ist, das Bestmöglich von sich zu geben und sich bewusst zu sein, dass es irgendwo auf der Welt jemanden gibt, der deine Arbeit zu schätzen wissen wird.“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir WladimirowFotos: Pixabay
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