Wenn Polizeiangestellte bei der Aufrechterhaltung der Ordnung die Grenzen des Gesetzes überschreiten, sprechen wir von polizeilicher Willkür. Genau das geschah während der Antiregierungsproteste im Sommer vergangenen Jahres. Heute, ein Jahr später, haben schockierende Aufnahmen von Polizeigewalt wenig schmeichelhafte Fakten enthüllt. Um die Gründe zu klären, die zu den blutigen Auseinandersetzungen geführt haben, wurde im Parlament eine Enquete-Kommission gebildet, die die Verantwortlichen, einschließlich den Generalstaatsanwalt Iwan Geschew, anhören soll.
Eines der Opfer, Daniel Pawlow, sprach kürzlich mit Abgeordneten und Medien und beschrieb, wie er von Männern in Uniform hinter die Polizeikette gezerrt worden ist: „Ich wurde zu Boden geworfen. Man hatte mir den Kopf nach hinten gedrückt; die Kontaktlinsen waren mir bei den Schlägen herausgeflogen. Ich bekam kaum Luft und hatte das Gefühl, dass ich sterben werde...“
Wenn man sich das Profil der betreffenden Uniformierten betrachtet, passt es überhaupt nicht zu unserer Vorstellung von der Polizei, als „dein Freund und Helfer“.
„Besonders wichtig ist die Klärung der Frage, ob es sich tatsächlich um Polizisten oder um als solche verkleidete Schläger gehandelt hat“, kommentierte der Menschenrechtsaktivist Michail Ekimdschiew in einem Interview für den Bulgarischen Nationalen Rundfunk. „Im vergangenen Jahr wurden in den sozialen Netzen einige Videos mit diesen angeblichen Polizisten verbreitet. Sie hatten lange Bärte, Schlagringe und Tätowierungen. Das sind alles Dinge, die in den staatlichen Institutionen, wie Polizei und Gendarmerie nicht erlaubt sind. Diese Angestellten sollten unsere Schutzengel sein und keine Monster, die unsere Kinder schlagen.“
Laut Ekimdschiew handelte es sich bei den Teilnehmern der Antiregierungsproteste im Jahr 2020 nicht um bezahlte Berufs-Demonstranten, die auf die Straße gegangen sind, um Massenszenen zu verursachen.
„Es waren keine Fußballrowdys, sondern Bürger, die aus innerer Überzeugung auf die Straße gingen. Die Aktion gegen sie hatte zum Ziel, ihren Willen zu brechen, damit sie es „lernen“, dass man in Bulgarien nicht einfach protestieren kann“, behauptet Michail Ekimdschiew.
Ist es nach diesen Vorfällen nicht an der Zeit, die Funktionen und Aufgaben der Polizeibeamten zu überdenken?
„Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass die Polizei irgendwann entnervt gewesen ist, einen Fehler gemacht und ihre Rechte überschritten hat, wurden wir Zeuge einer Ausschreitung“, sagte seinerseits der Kommunikationsexperte Ljubomir Alamanow. „Viele dieser staatlichen Angestellten scheinen vergessen zu haben, dass wir ihnen ihre Gehälter zahlen, damit unser Leben besser wird. Sie sind keine Beamten geworden, weil sie so geboren wurden oder weil sie Gott zu solchen gemacht hat.“
Der Generalstaatsanwalt Iwan Geschew seinerseits erschien vor dem Parlament aus Respekt gegenüber dieser Institution, machte jedoch von seinem von der Verfassung verbürgten Recht Gebrauch und beantwortete die Fragen der Abgeordneten allgemein und lakonisch, ohne Einzelheiten mitzuteilen. Allerdings gebe es laut dem Anwalt der Initiative „Rechtsprechung für jeden“, Emil Georgiew, auch Themen, wie zum Beispiel die Polizeigewalt, zu denen Geschew konkreter werden kann, ohne gegen die Verfassung zu verstoßen.
„Iwan Geschew erklärte, dass es sehr problematisch sei, wenn Kollegen ihre Kollegen untersuchen müssen. Er sagte aber nicht, ob etwas unternommen wurde, um dieses Problem zu lösen. Wir haben ferner erfahren, dass er dennoch einen Bericht über Fälle von Polizeigewalt vorgelegt habe; es wurde jedoch nicht klar, ob er entsprechend seinen Befugnissen die Staatsanwälte angehalten habe, für die ordnungsgemäße Anwendung des Gesetzes Sorge zu tragen“ so Rechtanwalt Georgiew.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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