Die 24-stündige Verhaftung des ehemaligen Premierministers Bojko Borissow, des Finanzministers Wladislaw Goranow aus seinem letzten Kabinett und der Leiterin von Borissows Regierungspresseamts Sewdalina Arnaudowa am 17. März ist führendes innenpolitisches Thema in Bulgarien. Und die Saga gegenseitiger Anschuldigungen von Staatsanwaltschaft und Innenministerium geht weiter. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Regierung nachweisen kann, dass sie Schritte unternimmt, um das Versprechen einzulösen, mit dem die Partei „Wir setzen die Veränderung fort“ ihre Führungsposition in der Regierung errungen hat, nämlich „Null Toleranz für Korruption“.
Der Anwalt Ljubomir Talew hat die Verhaftung von Borissow, Goranow und Arnaudowa gegenüber der Website „Novetica“ als „Triumph der Gesetzlosigkeit, Ohnmacht und Substitution“ bezeichnet und erläutert: „Gesetzlosigkeit, weil der Öffentlichkeit keine Beweise und Argumente vorgelegt wurden, warum jemand dringend verhaftet werden muss, ohne eine Sanktion der Justiz... Triumph der Substitution, weil die sogenannten Protestparteien mit Versprechen über eine Justiz- und Justizreform, Rechtsstaatlichkeit, Stärkung des Rechtsstaates und Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justiz an die Macht gekommen sind. Gleichzeitig sehen wir das genaue Gegenteil.“In einem Interview für den BNR äußerte die GERB-Abgeordnete Dani Kanasiewa den Verdacht, dass die Verhaftung von Bojko Borissow auf Anordnung des derzeitigen Ministerpräsidenten Kiril Petkow erfolgt sei.
Der Vorsitzende der Parlamentsfraktion von „Demokratisches Bulgarien“ Christo Iwanow meint seinerseits, diese Aktionen der Ordnungsorgane seien notwendig, da es „sehr viele Fragen an Bojko Borissow“ und die anderen Inhaftierten gebe, die unbeantwortet seien.
Der Versuch der einstigen Regierungspartei und derzeit größten parlamentarischen Oppositionskraft GERB, die Geschehnisse als Kampf zwischen dem bösen Staat und dem guten Borissow darzustellen, dürfte kaum erfolgreich sein, prognostiziert der Politikwissenschaftler Strachil Delijski:
„Es wird die Partei sicherlich konsolidieren. Erst vor einer Woche hat die Partei auf ihrem Kongress erklärt, GERB sei Borissow und Borissow sei GERB. Jede Gemeinschaft reagiert auf diese Weise, wenn sie sich bedroht fühlt. Die Partei kann jedoch nicht wachsen, weil Borissow sie zwar am Leben erhält, sie aber daran hindert, sich in einem dynamischen politischen Umfeld zu entwickeln.“ In einem Interview für den BNR-Plowdiw stellte der Politikwissenschaftler außerdem fest, dass die Aktion dafür gesorgt habe, dass auch die Regierungskoalition enger zusammengerückt sei.
„Ich sehe nicht, was sie daraus gewonnen haben, außer dass sie erneut gesagt haben: Wir sind die Guten, die Staatsanwaltschaft ist schlecht“, kommentierte der Politikwissenschaftler Dimitar Ganew das Vorgehen des Innenministeriums.
„Man muss unwiderlegbare Beweise haben, um so etwas vorzunehmen, insbesondere einen dringlichen Arrest. Sobald die 24 Stunden abgelaufen sind, hatte dieser Arrest zur politischen Folge, dass es zu einer teilweisen Rehabilitation von GERB und Borissow gekommen ist. Ich weiß nicht, was sich die Regierungspolitiker vorgestellt haben, aber das Getane hat die Kraft, wie ein Bumerang zu ihnen zurückzukommen.“Worten des Vizepremiers und Finanzministers Assen Wassilew zufolge sei die Freilassung von Bojko Borissow und Wladislaw Goranow ohne Anklage jedoch ein „Versagen der Staatsanwaltschaft und nicht der Regierung“.
„Wir sehen eine Weigerung der Staatsanwaltschaft, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten und Beweise zu erheben“, ist Assen Wassilew überzeugt. „Es ist egal, wie man heißt, das Maß sollte für alle gleich sein. Das Innenministerium hat normale Ermittlungshandlungen vorgenommen. Dieser Prozess wird fortgesetzt. Die Staatsanwaltschaft hat die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht abgelehnt, sie wartet auf weitere Informationen“, so Assen Wassilew.
Zusammengestellt von: Joan Kolev
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: BGNES
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