„Alles, was jetzt in unserem politischen Leben passiert, mit diesen ständigen Wahlen, ist ein Schuss ins Leere. Wir ähneln Eichhörnchen, die sich ständig im Rad drehen, um überschüssige Energie zu loszuwerden. Auch wir verschwenden ziellos die Energie des Volkes und auch das Geld des Volkes.“ Diese Diagnose stellt unserem Hier und Jetzt ein Künstler, dessen Hauptaufgabe es ist, uns wie durch ein Vergrößerungsglas die Makel der Gesellschaft vor Augen zu führen.
Der Karikaturist Iwajlo Zwetkow wählte das emblematische Datum der jüngsten bulgarischen Geschichte, den 10. November, um seine neue Ausstellung „Sehtest“ zu präsentieren. Sie zeigt Porträtkarikaturen von Politikern, Geschäftsleuten, Sportlern. Allen gemeinsam aber ist, dass sie durch ein konkretes Ereignis inspiriert wurden. Und die Ereignisse im politischen Leben Bulgariens scheinen sich in hektischer Aufeinanderfolge zu wiederholen:
„Obwohl wir in nur anderthalb Jahren fünf Wahlen abgehalten haben, kommt am Ende immer wieder das gleiche Ergebnis heraus. Jetzt sehen wir, dass jeder Angst hat, politische Verantwortung zu übernehmen, jeder nimmt Abstand von den anderen und weigert sich, eine Koalition einzugehen und so schlittern wir von einer Wahl in die nächste“, betont der Künstler, dessen Handschrift an den bunten und markanten Details in den Karikaturen seiner Helden erkennbar ist.
Die meisten Karikaturen wurden nicht speziell für diese Ausstellung gezeichnet, sondern geben einen Einblick in die letzten 23 Schaffensjahre des Künstlers. Unter ihnen ragen jedoch große, bedeutende Persönlichkeiten aus der Vergangenheit und Gegenwart heraus, beispielsweise der brillante Komiker Charlie Chaplin, der ehemalige bulgarische Ministerpräsident Bojko Borissow, Wladimir Putin, Angela Merkel und viele andere.
„Die Welt jedoch ist sehr bunt und besteht nicht nur aus Politik. Es gibt viele talentierte Menschen, die es verdienen und sich freuen, in einer Karikatur verewigt zu werden“, sagte unser berühmter Karikaturist Iwajlo Zwetkow und weiter:
„Ich zeichne für eine Zeitung, Schaffen ist für mich tägliche Routine. Politische Karikaturen sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Arbeit einer Zeitung und ich zeichne auch, weil das Teil meiner Arbeit ist. Aber das ist vormittags. Und nachmittags, natürlich nicht immer, sondern wenn ich Lust habe, zeichne ich für die Seele, eher künstlerisch, so wie ich es mag. Denn irgendwann hat man die Politik satt. Wenn zum Beispiel eine Regierung ihre volle Amtszeit zu Ende gebracht hat, ist sie für einen Karikaturisten nicht mehr interessant. Innerhalb von ein- zwei Jahren gingen nun aber viele bunte Menschen durch das Parlament und die Regierung. Bunt im humoristischen Sinne, so dass es für uns interessanter war, sie zu zeichnen. Slawi Trifonow zum Beispiel, der wie ein Meteorit am Firmament erschienen, vorbeigerauscht und verschwunden ist, ein bisschen wie der Haley-Komet. Sein treuer Page Toschko Jordanow auch. Maja Manolowa erscheint immer wieder auf der Bühne und verlässt sie wieder, aber sie ist die ewige Anwärterin auf die Macht. Altbekannte Gesichter bereichern sich um neue Züge. Aber Politiker sind nun mal ein solcher Menschenschlag, der meilenweit von mir entfernt ist und den ich nicht verstehe. Klar ist jedoch, dass sie ein bestimmtes Ziel haben, nämlich gut zu leben, im Rampenlicht zu stehen, im Mittelpunkt des Geschehens. Sie wollen bedeutend und wichtig sein, aber viele von ihnen sind eher mittelmäßige, dafür aber ehrgeizige Menschen, was eine besonders brisante Kombination ist. Ich denke, das ist das Problem: Sie haben viele Makel, wollen aber ganz oben auf der Tagesordnung des Landes stehen und gemocht werden. Und von uns Karikaturisten gemocht zu werden bedeutet, derart von uns gezeichnet zu werden, dass ihnen zum Weinen zumute wird, wenn sie irgendwo in der Presse ihre Karikatur sehen“, sagte Iwajlo Zwetkow.
Ansonsten unterliegt jeder, der auf der öffentlichen Bühne steht, der Interpretation durch den Karikaturisten, meint er. Von den heutigen bulgarischen und internationalen Politikern gibt es niemanden, den er nicht karikieren würde. „Die Menschen machen sich gerne über jene lustig, die sie jeden Tag auf dem Bildschirm sehen, deshalb sind Ausstellungen mit Karikaturen so erfolgreich“, sagte der Künstler, der für seine Arbeiten mehr als 130 Auszeichnungen erhalten hat.
„Es gibt einige Politiker, denen ihre Karikaturen nicht gefallen und die Redaktionen anrufen. Aber das passiert sehr selten, die meisten schweigen und rufen nicht an. Es gibt aber auch solche, die Sammlungen mit Karikaturen von sich selbst anlegen. Zum Beispiel der ehemalige Premierminister Simeon von Sachsen, Coburg und Gotha. Oder der ehemalige Ombudsmann Konstantin Pentschew - er hatte einen Raum, in dem er eine Sammlung seiner Karikaturen zusammengestellt hatte, die in allen Zeitungen erschienen sind. In anderen Ländern wie Bulgarien gehört die Persönlichkeit des Bürgerbeauftragten nicht zu den bedeutendsten des Landes, aber es gab Karikaturen über Konstantin Pentschew. Er wollte sogar die Originale der Karikaturen besitzen und wollte sie nicht geschenkt bekommen, sondern hat sie den Autoren abgekauft“, so Iwajlo Zwetkow abschließend.
Die Ausstellung „Sehtest“ von Iwajlo Zwetkow ist bis zum 29. November in der Galerie in der Schipka-Straße Nr. 6 zu sehen.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: Gergana Mantschewa, sbh.bg
Wie sah Sofia in den 1970er Jahren aus? Diese Frage beantwortet die Fotoausstellung „Station Sofia '70 “ mit Archivaufnahmen des berühmten bulgarischen Fotografen Panajot Barnew. Die Ausstellung wird am 3. September in der Galerie „Dot Sofia“..
Nur wenige Jahre vor dem Fall der Berliner Mauer und dem damit einhergehenden euphorischen Gefühl von Freiheit traten auf den Bühnen des Kunstfestivals „Apollonia“ in Sosopol zum ersten Mal Musiker, Künstler, Schriftsteller und..
Eine Fotoausstellung, die der Persönlichkeit des großen bulgarischen Opernbasses von Weltrang Boris Christow gewidmet ist. Die Ausstellung wird von der Abteilung für Kultur, Archäologie und kulturelles Erbe der Stadtverwaltung von Plowdiw..
Nach dem Erfolg des Festivals „Wir sind die Kinder des Flusses“ im September arbeitet eine Bürgerstiftung erneut mit dem Zentralen Bezirk von..