Stück um Stück wird das Puzzle der bulgarischen Geschichte immer vollständiger. Neue und unerwartete Entdeckungen füllen die weißen Felder und bereichern die Lebensgeschichten und Porträts unserer prominentesten Persönlichkeiten um immer neue Nuancen.
Im Jahr 2018 sorgte ein bisher unbekanntes Foto von Wassil Lewskifür Aufsehen. Zwei Jahre später stieß der bulgarische Historiker Dr. Grigor Bojkow, einer der prominentesten Forscher des Lebens und Wirkens von Wassil Lewski, auf ein Register der männlichen Bevölkerung von Karlowo aus jenen Jahren. Daraus geht hervor, dass Wassil Iwanow Kuntschew im Jahr 1840 geboren wurde, sprich drei Jahre später als in den Geschichtsbüchern steht.
„Leider sind keine Taufurkunde und kein Taufregister in der Kirche erhalten, wo der kleine Wassil eingetragen wurde. Das ist der Hauptgrund für die großen Diskrepanzen, was das Geburtsdatum und Geburtsjahr des Freiheitsapostels angeht“, erklärte Nadeschda Petrowa, Kuratorin des Nationalmuseums „Wassil Lewski“ in Karlowo. „Das Datum 18. Juli 1837 wurde um 1895 von einem großen Familienrat anlässlich der Einweihung des Denkmals von Wassil Lewski in Sofia vorgeschlagen.“
„Wenn aber ein Dokument vorliegt, sollten wir uns natürlich darauf beziehen. Vielleicht wird sich allmählich das Jahr 1840 als Geburtsjahr von Wassil Lewski durchsetzen“, kommentierte Nadeschda Petrowa.
Auch andere interessante Fakten aus der Kindheit und Jugend des künftigen Freiheitsapostels sind der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. Wassil war das zweite von fünf Kindern in der Familie von Iwan und Gina Kunntchewa. Die Familie seines Vaters ist weniger gut erforscht, im Gegensatz zu der seiner Mutter - einer der großen, wohlhabenden Familien in Karlowo – Karaiwanowi.
Als Schuljunge wurde Wassil in die Lehre geschickt, um den Beruf des Kaftan-Schneiders zu erlernen. Nach dem Tod seines Vaters, als er erst 10 Jahre alt war (laut den neuen Daten zu seinem Geburtsjahr), wurde er Novize bei seinem Onkel Wassilij im Hilandar-Kloster.
„Dieser schickte ihn zum Unterricht im Kirchengesang beim berühmtesten Lehrer in Karlowo, der eine der ersten weltlichen Schulen in unserem Land gründete - Rajno Popowitsch“, so Nadeschda Petrowa weiter. „Wassil hatte eine sehr schöne Stimme und liebte es, neben Kirchenliedern auch Volkslieder zu singen, die er von seiner Mutter und später in Wojnjagowo lernte, wo er Lehrer war.“
Laut einer Überlieferung haben die Kinder in Karlowo oft Wettkämpfe untereinander abgehalten. Am weitesten und höchsten von allen ist Wassil gesprungen. Deshalb nannten sie ihn „Lewski“ - das heißt einem Löwen gleich. Manche glauben, dass er während der Ersten Bulgarischen Legion im Jahr 1862 diesen Beinamen erhielt, es gibt aber auch eine andere Version:
„Es ist auch bekannt, dass er gut malen konnte – er hat selbst zwei Löwen auf seine Weste gemalt und anschließend gestickt, daher der Name Lewski. Später schlüpfte er in verschiedene Rollen – in die eines reichen Kaufmanns, eines Bettlers, eines Türken und so weiter. Und das zeugt von einem bemerkenswerten schauspielerischen Talent“, meint die Kuratorin des Museums in Karlowo. „Er hatte also eindeutig einen Hang zu den Künsten.“
Verschiedene Volksüberlieferungen schreiben Wassil Lewski auch die eine oder andere Liebste zu.
„Inwieweit in diesen Überlieferungen ein Körnchen Wahrheit enthalten ist oder sie eher dem Wunsch der Menschen entsprechen, sich auf diese Weise mit Lewski zu verbinden, können wir nur vermuten“, sagte Nadeschda Petrowa. „Ja, sie sind sehr schön, sie machen ihn zu einem Vollblutmenschen, aber wir sollten bedenken: Als er zum Mönch geweiht wurde, legte er drei Gelübde ab: über Armut, Gehorsam und Keuschheit. Das sind Gelübde fürs Leben, egal ob er später als Mönch dient oder nicht.“
All diese Fakten vervollständigen das Bild des Revolutionärs Wassil Lewski, zeigen uns seine Freuden und Ängste und helfen uns, uns ein besseres Bild von ihm als Mensch außerhalb der Revolution zu machen.
Diese Veröffentlichung erfolgt im Rahmen eines Projekts, das mit der finanziellen Unterstützung des Kulturministeriums im Rahmen des Nationalen Programms zum Gedenken an den 150. Todestag von Wassil Lewski realisiert wurde.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: Nationalmuseum „Wassil Lewski“ - Karlowo
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