Heute um 10.00 Uhr hat der älteste Abgeordnete Wedschi Raschidow von der Koalition GERB-SDS die erste Glocke im Parlament geläutet und somit die Arbeit der 49. Volksversammlung eröffnet. Ohne große Erwartungen an die Langlebigkeit dieses Parlaments (des fünften im Rahmen einer zweijährigen politischen Krise) werden die Abgeordneten versuchen, die schwierige Aufgabe mit der Aufstellung einer Regierung zu meistern.
Im Unterschied zur Situation nach den vorgezogenen Parlamentswahlen am 2. Oktober 2022, als Präsident Rumen Radew die Volksversammlung am 17. Tag nach der Abstimmung einberufen und die Beratungen für ein neues Kabinett monatelang hinausgezögert hat, hat der Staatschef diesmal beschlossen, zügiger zu handeln. Er erklärte, dass er sofort, nachdem die Zentrale Wahlkommission die Namen der neuen Volksvertreter bekannt gibt, den ersten Arbeitstag der Abgeordneten anberaumen wird und appellierte an die Parteien, eine tragfähige Formel für die Bildung einer regulären Regierung finden und Lehren aus ihrem bisherigen Vorgehen zu ziehen.
Das große Dilemma nach den Wahlen ist, ob die proeuropäisch gesinnten politischen Kräfte eine Regierung aufstellen werden oder dies eher einer Vereinigung um die sogenannte Papierkoalition (GERB, BSP und DPS) gelingen sollte. Immer mehr Analysten gehen jedoch davon aus, dass es bald zu neuen vorgezogenen Parlamentspräsident kommen wird, da weder der Wahlsieger GERB-SDS in der Lage sein wird, ausreichend Stimmen für ein eigenes Kabinett zu sammeln, noch die Koalition „Wir setzen die Veränderung fort-Demokratisches Bulgarien“ (PP-DB) oder eine der kleineren Formationen im Parlament. Die PP-DB hat bereits deutlich zu verstehen gegeben, dass sie eine Regierung mit dem Mandat der GERB-Partei in keiner Form unterstützen wird. Und die erste politische Kraft wird es ihrerseits wohl kaum riskieren, Monate vor den Kommunalwahlen ein offenes Bündnis mit der BSP und der DPS einzugehen.
Selbst wenn es den Abgeordneten nicht gelingen sollte, eine Regierung zu wählen, können sie einige dringende Aufgaben lösen, die im vorangegangenen Parlament mit stunden- und tagelangen Debatten über Themen wie die Wiedereinführung der Papierwahl vernachlässigt wurden. Den vierten Monat in Folge arbeitet der Staat mit einem verlängerten Haushalt aus dem letzten Jahr und die lang erwartete Justizreform und die Gesetze, von deren Umsetzung der Erhalt der Mittel im Rahmen des Wiederaufbau- und Nachhaltigkeitsplans abhängt, lassen weiterhin auf sich warten.
In das ehrwürdige Parlamentsgebäude, dessen Grundstein 1884 mit dem Wunsch nach einem freien, europäischen und wohlhabenden Bulgarien gelegt wurde, ziehen sechs politische Parteien ein.
Die größte Fraktion, GERB-SDS, hat 69 Abgeordnete. „Wir setzen die Veränderung fort-Demokratisches Bulgarien“ wird von 64 Abgeordneten vertreten, „Wasraschdane“ von 37, DPS von 36, die BSP von 23 und „Es gibt ein solches Volk“ von 11 Abgeordneten.
Wie im vorherigen Parlament sind 58 der 240 Abgeordneten Frauen. Der jüngste Abgeordnete, Georgi Krastew von GERB, ist 24 Jahre alt, und der älteste, Weschdi Raschidow, ebenfalls von GERB - 72 Jahre alt. Ramadan Atalaj von der DPS ist zum 12. Mal Abgeordneter geworden und somit Rekordhalter. In den Reihen der Abgeordneten sind zwei frühere Premierminister - Bojko Borissow und Kiril Petkow. Unter den Volksvertretern befinden sich neben Juristen, Wirtschaftswissenschaftlern und Ärzten diesmal auch zwei Dichter, zwei ehemalige Ringer und Gewichtheber sowie ein Hochzeitsplaner.
Unmittelbar nach ihrer Vereidigung und der Wahl eines Parlamentspräsidenten müssen sich die neuen Gesetzgeber an die Arbeit machen. In der Zwischenzeit ist der Präsident laut Verfassung verpflichtet, sich mit den parlamentarischen Kräften zu beraten, bevor er den ersten Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Sollten alle drei Aufträge kein Ergebnis fruchten, erwartet ihn das übliche - die Ernennung einer neuen geschäftsführenden Regierung.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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