Ende August wurde im Rahmen des 39. Festivalder Künste „Apollonia” in Sosopol der Dokumentarfilm „Bis zur Wurzel ausgerissen“ gezeigt. Das neueste Filmprojekt von Antoaneta Batschurowa und Wladimir Ljuzkanow ist eine dramatische Darstellung wichtiger historischer Ereignisse, deren Folgen wir auch im neuen Jahrhundert spüren, über die wir aber nicht ausreichend sprechen.
Der Film erzählt das Schicksal des bemerkenswerten Wissenschaftlers Prof. Dimitar Atanassow Strigatschew, einem amerikanischen Absolventen mit einem Beitrag zur Weltwissenschaft, Begründer der bulgarischen Phytopathologie und Gründer der Fakultät für Agronomie an der Sofioter Universität „Heiliger Kliment von Ochrid“.
Im Alter von 23 Jahren war der im Dorf Gramada in der Region Widin geborene Bulgare unser erster Agronom, der in den USA einen Hochschulabschluss erlangte – am Michigan State College of Agriculture in der Stadt East Lansing. Und das mit Auszeichnung und in nur zweieinhalb statt vier Jahren. Dies öffnete ihm die Türen zu Forschungsarbeiten in der Abteilung für Pflanzenpathologie der University of Wisconsin, wo er grundlegende Entdeckungen auf dem Gebiet der Pflanzenkrankheiten machte.
In den Jahren 1918-19 erhielt er als Ergebnis der wissenschaftlichen Entwicklung einen Master-Abschluss und wurde zum Assistenten an der Universität ernannt, wodurch er automatisch amerikanischer Staatsbürger wurde. Die nächsten zwei Jahre spezialisierte er sich am Biologischen Institut für Land- und Forstwirtschaft in Berlin und arbeitete dann weitere vier Jahre am Phytopathologischen Institut in Wageningen, Niederlande, wo er auch seine Frau kennenlernte.
Im Jahr 1925 kehrten Prof. Atanassow und seine Familie nach Bulgarien zurück, wo er eingeladen wurde, außerordentlicher Professor und erster Dozent für Phytopathologie an der Fakultät für Agronomie der Sofioter Universität „Heiliger Kliment von Ochrid“zu werden. In den nächsten sechs Monaten gelang es ihm, von der Rockefeller-Stiftung einen Zuschuss für die Fertigstellung der Fakultät für Agrarwissenschaften zu erhalten.
Die Drehbuchautorin und Co-Regisseurin von „Bis zur Wurzel ausgerissen“ Antoaneta Batschurowa stellt mit Bedauern fest, dass heute kaum noch einer der Studierenden dieser Fakultät weiß, wer Prof. Atanassow ist.
„Prof. Atanassow ist einer der Bulgaren, die fast vollkommen in Vergessenheit geraten sind und das trotz seines enormen Beitrags zum Aufbau Bulgariens in den ersten 30 Jahren des 20. Jahrhunderts. In diesen Jahren begann Bulgarien, im Ausland studierende Bulgaren zur Rückkehr in die Heimat zu bewegen. Sie alle kehrten zurück, um das Vaterland aufzubauen. Das Schicksal von Prof. Atanassow ähnelt leider dem aller Vertreter der intellektuellen, spirituellen, wirtschaftlichen und politischen Elite, die 1944-45 mit Anbruch des kommunistischen Regimes in unserem Land fast vernichtet wurde. Wenn nicht körperlich, dann geistig”, erklärte Batschurowa in der Sendung „Artefir“ des Bulgarischen Nationalen Rundfunks.
Prof. Dimitar Atanassow ist der Autor des ersten Lehrbuchs zur Phytopathologie auf dem Balkan, das ins Rumänische und ins Serbische übersetzt wurde. Er bildete auch die ersten Spezialisten auf dem Balkan auf diesem Gebiet aus. Er hat virale Pflanzenkrankheiten untersucht und über 100 wissenschaftliche Studien auf dem Gebiet der Phytopathologie veröffentlicht. Als Landwirtschaftsminister im Kabinett Georgi Kjoseiwanow (zwischen November 1935 und Juli 1936) schuf Prof. Atanassow das erste Gesetz zum Schutz der einheimischen Natur nach kanadischem Vorbild und verlieh dem Witoscha-Gebirge den Status eines Nationalparks.
Nach dem Putsch 1945 wurde er aufgrund seiner Verbindungen zu Amerika und Westeuropa zum Faschisten erklärt. Er wurde als Dekan der Agrarwissenschaftlichen Fakultät in Sofia entlassen, seine Familie wurde nach Plewen vertrieben und dort politischen Repressionen ausgesetzt. Dimitar Atanassow starb am 14. Juli 1979 in Sofia.
„Die lebendige Geschichte dieser Bulgaren sind heute ihre Kinder“, so Batschurowa. “Und im Mittelpunkt von „Bis zur Wurzel ausgerissen“ steht genau die Tochter des Professors – Elena Atanassowa, die nicht mehr unter uns weilt, aber ihr ganzes Leben lang davon geträumt hat, dass die Menschen die Wahrheit über ihren Vater erfahren. Als Drehbuch für den Film diente ihr biografisches Buch „Wenn wir nicht mehr schweigen“. Jenseits der Vorgaben für historische Dokumentarfilme werde die Geschichte emotional, persönlich und bewegend erzählt, um den Zuschauern ans Herz zu gehen”, erzählte Batschurowa.
“Junge Menschen müssen die Vergangenheit kennen”, so Antoaneta Batschurowa. Im Sinne der Verbindung zwischen Geschichte und Kultur sie als Titel des Films ein Gedicht des Dichters Boris Christow gewählt.
„Ich habe das Gedicht mit dem Bild unseres Helden verbunden, denn in der Geschichte geht es um die Entwurzelung des Botanischen Gartens, den er unentgeltlich in der Nähe des Sofia-Dorfes Mramor pflegte und dessen Ernte er verschiedenen Bauernhöfen in ganz Bulgarien spendete. Nachdem er wegen seiner Verbindungen zur westlichen Welt als Faschist gebrandmarkt wurde – wir sprechen hier von einem erschreckenden Maß an Primitivismus - wurde dieser Garten nicht nur vom Staat beschlagnahmt, sondern vollständig entwurzelt und zerstört. Auf einer metaphorischen Ebene ist dies Bulgarien, das uns entrissen wurde, aber uns hätte gehören sollen“, sagte sie.
Übersetzung: Antonia Iliewa
Redaktion: Rossiza Radulowa
Fotos: VIP MEDIA Film, Facebook /Antoaneta Batschurowa
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