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Prof. Krassimir Stantschew: Sprache kann für jeden Zweck verwendet werden - vom friedlichsten bis zur Kriegserklärung

„Es geht buchstäblich um die Rettung des Bulgarischunterrichts in Europa“, unterstreicht der Wissenschaftler

Prof. Krassimir Stantschew
Foto: BTA

„Oft brennt ein erloschenes Feuer dank einiger noch vorhandener Funken wieder auf.“ Mit diesen einfühlsamen Worten weckt der Professor für slawische Philologie Krasimir Stanchew die Hoffnung, dass das schwindende Interesse am bulgarischen Alphabet, der bulgarischen Sprache und der bulgarischen Kultur im Ausland eines Tages wieder zu neuem Glanz erwachen wird.
Auf der internationalen Konferenz über das kyrillische Alphabet, die kürzlich in Sofia und Plowdiw stattfand und an der sich Wissenschaftler aus 11 Ländern beteiligten, wurden beunruhigende Fakten veröffentlicht, dass die Zahl der Dozenten für Bulgaristik im Ausland mit jedem weiteren Jahr abnimmt und heute nur noch 29 beträgt.



Nach Angaben des langjährigen Professors an der italienischen Universität Roma Tre ist die Lage so ernst, dass regelrecht davon die Rede ist, den Unterricht der bulgarischen Sprache in Europa retten zu müssen.
„Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Beitritt Bulgariens zur Europäischen Union ist das Interesse, nicht nur Bulgarisch, sondern auch slawische Sprachen im Allgemeinen zu lernen, zurückgegangen. Bis vor Kurzem war Russisch vielleicht die Ausnahme, die aus offensichtlichen Gründen ebenfalls auf Kosten der ukrainischen Sprache an Popularität verliert. Aber vergessen wir nicht, dass die Menschen nach wirtschaftlichem Nutzen suchen und etwas lernen, von dem sie später profitieren und leben können“, sagt Prof. Krassimir Stantschew.
„Leider ist das die grausame Wahrheit und der Niedergang der Slawistik begann in einem Land, das jahrzehntelang in dieser Hinsicht in Europa an der Spitze stand – Deutschland.“
Derzeit gibt es in Italien drei bulgarische Sprachvorlesungen, aber in der Praxis ist nur die in Neapel aktiv, sagte noch der Wissenschaftler.
Prof. Krassimir Stantschew glaubt, dass die Rettung der Vorlesungen in bulgarischer Sprache im Ausland nicht nur eine Frage der Finanzierung ist, denn Bulgarien stellt immer noch finanzielle Mittel bereit – selbst an Orten, an denen zwei oder drei Studenten ausgebildet werden. „Ich fürchte, Bulgarien kann nichts tun. Es werden Menschen vor Ort gebraucht, die über die wissenschaftliche und organisatorische Autorität verfügen“, betont er.
„Ich freue mich sehr, dass jüngere Kollegen absolut davon überzeugt sind, dass die bulgarische Sprache aufgrund der slawischen Philologie selbst in Italien studiert werden sollte und nicht nur“, fährte der Wissenschaftler fort.
„Die meisten Studenten wollen zunächst Russisch studieren und kommen als Folge davon zum Bulgarischen oder Polnischen. Leider ist Tschechisch in Italien fast verschwunden, es kommt also wirklich auf die Aktivität der Lehrer an. Normalerweise tauschen die jungen Leute untereinander Informationen über den Charme eines bestimmten Professors aus, über eine Person, die interessante Dinge erzählt. Dieser Prozess kann schwer gelenkt werden. Das Gute ist, dass das Erlernen der bulgarischen Sprache nicht verschwunden ist und ich hoffe, dass es weitergehen wird“, so Prof. Krassimir Stantschew.



Alphabet, Sprache und Identität – diese Schlüsselwörter der Konferenz in Sofia und Plowdiw werden weiterhin Bulgaren aus verschiedenen Ländern zusammenbringen und Interesse am humanitären Erbe unseres Landes wecken, glaubte Prof. Krassimir Stantchew.
Leider kann die Sprache, in der wir schreiben, kommunizieren und Nachrichten senden, ein Symbol des Friedens, aber auch eine gefährliche Waffe sein, die das Leben ganzer Nationen auf den Kopf stellen kann. Wie können wir die hybriden Angriffe erkennen und uns schützen?
„Tatsächlich kann man Sprache für jeden Zweck nutzen – von der friedlichsten bis zur schärfsten Konfrontation“, antwortete Prof. Krassimir Stantschew teilt seine Ansicht mit, dass Aggression und Propaganda neutralisiert werden können, indem die Wahrheit bereits in der Schule weit verbreitet wird. 
Nach Ansicht des Gelehrten sind viele Spekulationen eher auf Unkenntnis der historischen Wahrheit zurückzuführen. Manchmal werden Tatsachen jedoch auch absichtlich verzerrt und in eine bestimmte Richtung interpretiert, wodurch wir uns von der objektiven wissenschaftlichen Forschung entfernen. Als Beispiel nennt der Professor die Aussage des russischen Präsidenten Wladimir Putin über die Herkunft der kyrillischen Schrift, die „aus dem mazedonischen Land stammt", was natürlich nicht der Wahrheit entspricht.
„Leider gibt es in Bezug auf die Schulbildung noch viel Nachholbedarf was die wissenschaftlichen Fakten über das Alphabet, die Sprache und die Geschichte anbelangt. Es gibt neue Entdeckungen, neue interessante Momente, und das alles sollte den Schülern und Studenten spannend und interessant präsentiert werden, aber nicht über TikTok und Unterhaltungsangeboten auf Smartphones. Natürlich gibt es Menschen, die die Augen vor der Wahrheit verschließen, da kann man leider nichts machen.“
Derzeit schreiben etwa 300 Millionen Menschen auf der ganzen Welt auf Kyrillisch, und sie alle, zusammen mit den Bulgarischlehrern, können als Botschafter des Kyrillischen bezeichnet werden.
Zum Abschluss zitierte Prof. Stantschew die Worte des Patriarchen der bulgarischen Literatur, Iwan Wasow, aus seiner Ode an Paissij, „dass auch wir Bulgaren der Welt etwas gegeben haben“. Die Botschaft des Professors ist, diesen Beitrag zur europäischen und weltweiten Zivilisation nicht zu vergessen, aber auch nicht übermütig zu werden!








Übersetzung: Antonia Iliewa
Redaktion: Georgetta Janewa



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